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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Deshalb haben sie wohl diesen Kompromiß gewählt. Sehr klug, finde ich.«
    Vorn an der Haustür klopfte es. Sicher Bob. Mel ging hin, um zu öffnen, und fand ein Mädchen vor der Tür. Ob sie wohl die Lady mal sprechen dürfe? Mel führte sie in die Küche. Die Kleine stürzte auf Miss Seeton zu, fiel neben ihr auf die Knie und rief unter Tränen:
    »O bitte, Miss, bitte helfen Sie uns! Sie haben Len mitgenommen, und er hat’s doch nicht getan, niemals, das wissen Sie doch! Aber er wird nichts sagen, das weiß ich – er kann nichts sagen, um meinetwillen!«
    Miss Seeton ergriff die beiden Hände. Das war also die junge Frau des wortkargen Jungen. Sie lächelte das tränenüberströmte kleine Gesicht an. »So, mein Kind – nicht mehr weinen. Was sagten Sie: Man hat Len mitgenommen? Warum denn?«
    »Ja, die Polizei – sie sagen, er hat die Sachen gestohlen, gestern nacht, aber so was tut er nicht, das wissen Sie!«
    »Selbstverständlich nicht!« sagte Miss Seeton entrüstet. »Wirklich lächerlich. Wie kommen sie darauf? Und warum will er nichts sagen? Ihretwegen – wieso?«
    »Weil ich doch noch minderjährig bin. Wir durften noch gar nicht heiraten. Deshalb sind wir ja hierhergekommen. Und Len hat noch Bewährung, weil da was vorgefallen ist, bei mir zu Hause.«
    »Was vorgefallen? Ach so.« Miss Seeton nickte. »Ich glaube, am besten erzählen Sie mir jetzt mal alles hübsch der Reihe nach, mein Kind.«
    »Ja – das war nämlich mein Stiefvater, meine Mutter kann nichts dafür, wissen Sie, und da hat er’s mit meiner Schwester Rosie versucht, und ich war so dämlich und hab’ das Len erzählt, und dann hat’s mein Stiefvater auch bei mir versucht, und Len kriegte so eine Wut, daß er ihm eine runtergehauen hat, aber gründlich, daß er die Treppe runtergefallen ist. Drei Rippen hat er gebrochen. Schwere Körperverletzung nannten sie das. Dafür hat Len dann Bewährung gekriegt. Er wollte aber nicht, daß ich da noch länger bleibe, deshalb haben wir uns eine Heiratslizenz besorgt und sind abgehauen, aber eigentlich durften wir das gar nicht, weil ich ja nicht die Erlaubnis von meiner Mutter hatte und wo ich doch noch minderjährig bin. Und Len auch. Deshalb hat er hier diese Arbeit auf dem Laster angenommen, und wir sind hierhergekommen, damit sie uns nicht finden. Aber wir haben nichts getan, ganz bestimmt nicht!«
    »Aber woher denn«, sagte Miss Seeton. »Len hat ganz recht gehabt. Ihr Stiefvater hätte vor den Richter gehört, Kind. Ganz furchtbar, was er da gemacht hat. Das hätten die doch erkennen müssen.«
    »‘s hat ja niemand davon gewußt«, sagte die Kleine verzagt.
    »Und warum nicht?«
    »Len wollte es nicht. Ich wollte alles sagen, aber er wollte es nicht. Wegen meiner Mutter und Rosie, und dann noch die Nachbarn, Sie wissen doch, wie die Leute sind, er wollte nicht, daß ich dazwischensteckte, wenn die Leute so Übles redeten. Der Richter sagte, er hätte keinen Grund gehabt, aber Len hatte einen guten Leumund und hat noch nie irgendwas angestellt, deshalb haben sie ihm Bewährung gegeben.« Ein schwaches Lächeln zog über das Kindergesicht. »Er hat wohl noch Glück gehabt.«
    Miss Seeton tätschelte ihr die Hände. »Na, na, nun beruhigen Sie sich nur, Kindchen. Das ist ja alles Unsinn. Len war gestern abend mit mir zusammen und hat mir sehr, sehr geholfen.«
    Mel hörte begeistert zu. Hier kam ja eine ganz neue Miss S. zutage. Die hilfreiche Lehrerin, die ein verzagtes Würmchen tröstet. Und jetzt kam sicher auch die Geschichte von gestern abend ans Licht.
    »Ja, ich weiß«, sagte die Kleine. »Er ist erst spät nach Haus gekommen und hat ‘ne Flasche Whisky rausgeholt, damit Sie sich nicht erkälten, sagte er. Weil Sie so triefnaß waren, wie ‘n Fisch, sagte er.«
    Der Sergeant hatte eine Weile im Wagen gewartet und war dann an die Tür gekommen. Als auf sein Klopfen niemand antwortete und er in der Küche Stimmen hörte, trat er ins Haus und blieb wie gebannt in der offenen Küchentür stehen, wo ihn zunächst niemand bemerkte.
    »Ja, das war ich wirklich«, stimmte Miss Seeton eifrig zu. »Er hat mich aus dem Kanal herausgeholt und dann noch den Sack auf die Straße geschleppt. So was Nettes. Und so zuvorkommend.« Ihre Hände bewegten sich und beschrieben etwas in der Luft. »Heute morgen beim Aufwachen habe ich alles zu Papier gebracht, als ich es noch frisch im Kopf hatte. Wir hatten abgemacht, daß er ihn auf die Polizei bringen sollte – ich meine den Sack. Ich glaube,

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