Miss Seeton kanns nicht lassen
gestohlenen Sachen -? Hastig sprang er auf und hielt den Stein ins Licht. Nein, ein Rubin war das nicht. Ein Karfunkel vielleicht – eine Art Granat. Bestohlene übertrieben ja gern, besonders Typen wie Mrs. Blaine. Er runzelte die Stirn und legte den Ring wieder hin. Was roch hier -? Er zog die Nase hoch, ging zum Bett hinüber und beugte sich zu der Schlafenden. Tatsächlich -Whisky. Vorsichtig faßte er sie an der Schulter. Sie reagierte nicht. Er schüttelte sie stärker.
In Miss Seetons Traumnebel flossen Kaskaden von Silber und Juwelen die Flüsse hinab, begleitet von schwarzen Schwänen. Dahinter glitt Kleopatras Barke flußabwärts, überdeckt von Pfauenfedern. In die Kissen gelehnt lag die Königin.
»Blond nicht«, murmelte Miss Seeton. Jetzt setzte die Königin sich aufrecht hin. Lange dunkle Haarsträhnen. »Haar musch dunkel sein.«
Delphick strengte sich an, um die Worte zu verstehen. Blond? Dunkel? Was sollte das heißen? Um ihrer Sicherheit willen und in Anbetracht des Ringes, konnte er das nicht ignorieren. Er mußte herausfinden, was sie angestellt hatte.
»Aufwachen, Miss Seeton«, befahl er und schüttelte sie noch einmal. »Aufwachen. Los, wachen Sie auf!«
Oh, wie ärgerlich, wenn man so müde war. Nein, jetzt nicht, beschloß Miss Seeton. Jetzt noch nicht. Sie setzte sich im Bett auf und öffnete weit die Augen.
»Noch nicht, mein König!« sagte sie klar und deutlich und fiel in die Kissen zurück.
Ratlos blickte Delphick auf sie hinunter. Es juckte ihm in den Fingern, ihr eine runterzuhauen. Da lag sie grinsend vor ihm, stockbetrunken, während er und seine Männer sich halb umgebracht hatten vor Angst und Sorge! Er blickte sie an. Sein Mund zuckte, er mußte lächeln beim Anblick des faltigen kleinen Gesichts, das schlafrot und zufrieden, mit halbgeöffneten Lippen vor ihm lag. Wo war die törichte Person bloß gewesen? Triefnaß und sternhagelvoll. Und wer hatte ihr den Whisky verabreicht? Hier im Haus war keiner, das wußte er von der Durchsuchung. Und das Glas auf dem Ablaufbrett in der Küche -? Aber sie konnte doch in dem Regen nicht ein Glas Whisky in der Hand heimgetragen haben.
Eilig lief Delphick nach unten, ging ans Telefon und rief Dr. Knight an, bei dem er sich entschuldigte für die späte Störung. Er beschrieb Miss Seetons Zustand, so gut er konnte. Hier sei bestimmt nicht nur Whisky im Spiel, sagte er. So betrunken konnte sie gar nicht sein. Ob Dr. Knight es wohl übelnähme, wenn er ihn bäte, sie sich mal anzusehen?
Dr. Knight erwiderte, angesichts der späten Stunde nähme er das sehr übel. Er werde in fünf Minuten dort sein.
Dankbar legte Delphick auf. Dann rief er seinen Sergeant an und trug ihm auf, in Ashford mitzuteilen, daß Miss Seeton wieder zu Hause sei.
Gleich daraufkam Bob an und brachte Neues: Die Beute aus den Einbrüchen war gefunden und der Dieb in Haft. Eine Streife, die den Auftrag hatte, bei der Suche nach Miss Seeton jeden Autofahrer nach ihr zu fragen, hatte auf der Landstraße nach Brettenden einen Lastwagen angehalten. Da ihnen der Fahrer verdächtig vorkam, hatten sie den Wagen durchsucht und die verschwundenen Silber- und Schmucksachen in einem nassen Sack gefunden. Sie wurden jetzt gerade mit der aufgestellten Liste verglichen. Der Führerschein des Fahrers lautete auf den Namen Leonard Hosigg, die Adresse war in der Nähe von Rochester. Er behauptete, bei einer Speditionsfirma in Brettenden angestellt zu sein, der auch der Wagen gehörte. Seine Erklärung war die übliche: Er war gerade unterwegs zur Polizeistation in Brettenden, um die Sachen dort abzuliefern, die er auf der Straße gefunden habe. Als man ihn eingehender befragte, schloß er den Mund und weigerte sich, noch irgend etwas zu sagen. Man hatte ihn verwarnt und behielt ihn in Brettenden auf der Wache. Anklage wollte man erst erheben, wenn die Liste der gestohlenen Sachen fertig war. Die örtliche Polizei, berichtete Bob, war begeistert: Innerhalb von zwei Stunden waren die Einbrüche aufgeklärt, mindestens einer der Posträuber saß hinter Schloß und Riegel, und die kleine Goffer war damit außer Gefahr, obgleich die Bewacher heute noch auf ihrem Posten bleiben sollten, bis man sie offiziell abrief.
Delphick ging rastlos im Wohnzimmer auf und ab; dann nahm er den Hörer und rief das Revier in Ashford an. War die Liste der in Plummergen gestohlenen Sachen jetzt komplett? Moment – sie wollten mal eben mit Brettenden vergleichen. Ja, die Liste war fertig. Und fehlte da
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