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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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es gewesen sein? Die Hosiggs nicht, die Quints nicht. Damit sind wir also wieder am Anfang.«
    Delphick nahm seine Wanderung durch das Zimmer wieder auf. »Bei den Quints hängt einfach alles von dem Alibi ab, Chris. Wenn wir das zum Platzen kriegten…«
    Da man sowieso nach Brettenden fuhr, konnte sie auch gleich bei der Bank vorsprechen. Das heißt, wenn der Sergeant sie dort absetzen wollte. Natürlich hätte sie den Scheck viel lieber per Post geschickt, aber in diesem Fall mußte sie wohl doch kurz mit dem Manager sprechen und ihm erklären, wieso der Scheck auf ihre Anfangsbuchstaben ausgestellt war. Oder vielmehr nicht auf ihre Anfangsbuchstaben – die lauteten ja E. D. Emily Dorothea, sondern auf Miss Ess, genau wie Mel Forby sie immer nannte, komisch, aber letzten Endes ganz natürlich, denn bei Behörden und Zeitungen war so was ja durchaus üblich, der Gebrauch von Anfangsbuchstaben, nicht wahr? Sicher war so was dem Bankmanager schon häufig vorgekommen, er würde wissen, worum es sich da handelte. Aber eins stand fest: dem jungen Mann an der Kasse wollte sie das nicht auseinandersetzen. Wenn sie in die Bank kam, versuchte sie immer, von seinem Kollegen bedient zu werden. Ihr Konto war ja auch wirklich sehr klein, das war nicht zu leugnen. Ganz unbedeutend. Man hatte fast das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen für den Zeitaufwand. Aber der Hauptkassierer war immer so hochmütig und tat so gelangweilt, daß es ihr peinlich war, deshalb erledigte sie ihre Sachen, wo es anging, per Post.
    Der Sergeant setzte Miss Seeton an der Bank ab. Warten sollte er nicht, sie wollte zu Fuß nachkommen. Er fuhr mit Lil Hosigg zum Polizeirevier; Mel Forby kam mit. Sie hatte alles erfahren, was für ihre Zeitung wichtig war, und war sehr zufrieden. Die Schirmgeschichte kam gut an; sie hatte Miss S. etwas aus dem Rampenlicht gerückt und verlieh überdies der Idyll-Reihe den Reiz einer Cartoon-Serie. Sie selbst war hart auf der Spur einer Knüllerstory, und wenn sie mit dem Orakel klarkam, mußte es ihr eigentlich gelingen, hier den Vogel abzuschießen. Außerdem war aus den beiden Hosiggs ganz sicher auch noch was rauszuholen, etwas fürs Gemüt. Ihnen würde es nicht schaden, und wenn sein Fall neu verhandelt wurde, kam mindestens noch ein Einspalter dabei heraus.
    Ogottogott, so mußte es ja kommen: Der zweite Kassierer war nicht da. Sicher war er zum Essen gegangen. Also blieb ihr keine Wahl, sie mußte zum Hauptkassierer. Sie würde ihm gerade in die Augen sehen, lächeln, den Scheck hinüberreichen und bitten, den Manager sprechen zu dürfen. Sie holte tief Luft, faßte Mut, ging an den Tresen und schrieb einen Zettel aus; doch dann verließ sie der Mut, als sie in der Handtasche zu wühlen begann. Wo hatte sie bloß den Scheck? Aha, da war er ja. Immer noch entschlossen, richtete sie sich auf und blickte dem Bankbeamten gerade ins Gesicht… Komisch. So genau hatte sie ihn noch nie angesehen. Nicht richtig. Diese Augen… Ganz ungewöhnlich glänzend bei einem so hellen Blau. Durchdringend, konnte man fast sagen. Dazu die flachen Backenknochen und die Hautfalte über den Augen… Zum Epikanthus gehörten eigentlich die runden Gesichter von Asiaten, mit dunklen Augen und glatten dunklen Haaren. Ein Epikanthus mit hellen Augen war ganz ungewöhnlich. Vielleicht kamen sie einem deshalb so glänzend vor –? Bei einem länglichen Gesicht und zu diesen Zügen hätte man eigentlich keine blonden welligen Haare erwartet. Ja, das Haar: das war es.
    Komisch. Und eigentlich interessant… Sie gab ihm den Scheck ohne ein Wort der Erklärung, lächelte freundlich und sagte: »Ich möchte gern mit dem Manager sprechen.« Damit schritt sie an ihm vorbei und klopfte an die Tür des Privatbüros.
    Mit schmalen Augen blickte der Kassierer ihr nach. Langsam ließ er den angehaltenen Atem entweichen. Sie hatten ihn also erwischt. Und ausgerechnet die hatte es gemerkt… Er war immer noch angespannt, doch langsam erholte er sich von dem jagenden Schrecken, den sie ihm versetzt hatte. Ihm blieb noch eine Chance. Einen Augenblick hatte er angenommen, es sei alles aus und vorbei, doch jetzt… Er blickte durchs Fenster. Von einem Streifenwagen war nichts zu sehen. Auch nicht von Zivilfahndern; aber das gehörte ja auch zu ihrem Job, unsichtbar zu sein. Vielleicht lauerten sie ihm irgendwo auf, das mußte er riskieren. Ja, eine Chance hatte er – die alte Ziege hatte ihm eine Chance verschafft, als sie sich verriet und er dadurch

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