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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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daß er das Toben kriegt, wenn man ihm was verbietet.« Sie fuhr sich mit einer abwehrenden Geste an den Hals. »Das eine Mal hat mir gereicht, das kann ich dir sagen! Wenn du ihn da nicht so fix zusammengeschlagen hättest – der hätte mich erledigt. Ich denk’ nicht daran, das noch mal zu riskieren. Er tut ja nichts, wenn man ihn in Ruhe läßt, und außerdem – « sie warf den Kopf zurück –, »er muß bloß vorsichtig sein, dann kann gar nichts passieren. Bisher hat doch noch keiner was gemerkt, oder? Und wird auch nichts merken. Der Junge hat sowieso nicht viel vom Leben. Die paar Kinder – was macht das schon?«
    »Der wird uns noch alle an den Galgen liefern, darauf kannst du Gift nehmen. Warum wird er kein Mann? Guck ihn dir doch an – siebzehn, und sieht aus wie ‘n kleiner Junge. Wenn er jemanden umbringen muß, warum dann nicht die richtigen? Die blöde alte Henne zum Beispiel, die mit dem Schirm, das hätte wenigstens noch ‘n Zweck, wo die ‘n Polizeispitzel ist.« Der taubstumme Junge beobachtete die beiden und versuchte, die Worte von den Lippen abzulesen. Ein glückliches Lächeln erschien auf dem Kindergesicht. Die Hand fuhr in die Tasche; er nickte. »Wir können jetzt mal Luft holen«, fuhr Dick Quint fort. »Die Polente nimmt sich jetzt erst mal den Kerl von der Bank vor – damit sind wir draußen, aber wir sind pleite und brauchen Geld, und ich weiß auch, wo wir’s herkriegen. Ich habe mit ‘n paar Kumpels in Ashford geredet; die haben ‘ne Mordsgaudi geplant. Samstag abend ist hier Tanz im Gemeindehaus; die Jungs aus Ashford wollen rüberkommen und ‘n bißchen Rabatz machen.«
    »Und was hat das mit uns zu tun?«
    »Das lenkt ab. Während die sich prügeln, nehmen wir uns ein oder zwei Häuser vor. Als erstes das von Colvedens, da muß ein Haufen Zeugs rumliegen. Sie trägt ‘n dicken Brillantklunker, den hab’ ich gesehen.«
    »Die kommen doch nicht zum Tanzen«, wandte Doris ein. »Solche Leute gehen nicht auf’n Dorfball.«
    »Gut, dann machen wir’s wie auf den Poststellen«, entgegnete er. »Wir stürzen rein, halten sie fest, schließen sie irgendwo ein, und wenn sie schreien, kriegen sie eins über ‘n Schädel. Ich hab ‘n Revolver in Ashford, und diesmal – « fügte er böse hinzu, »diesmal soll’s der alten Hexe nicht gelingen, uns ihren Schirm in den Hintern zu stecken und dann mit der ganzen Sore und dem Schießeisen abzufahren.«
    Der Taubstumme saß still träumend auf seinem Platz, ein frohes Lächeln auf dem kindlichen Gesicht. Ein Draht, mit einem Holzgriff an jedem Ende, hing lose von seiner Hand herab.
    Für Mel Forby kam der Trost mit der Post. Auf dem Rückweg ins Gasthaus überlegte sie sich den Vorschlag, den The Negative ihr gemacht hatte: Sie sollte dem Dorf einen neuen Namen geben und die Idyll-Serie in einen Cartoon-Strip umformen. Ein Strip…. wer weiß, vielleicht eine Rundfunkserie? Vielleicht Amerika…? Diesmal hatte sie’s anscheinend getroffen. Auf der Straße hielt eine alte Dame sie an. Mensch, dachte Mel, die kommt mir wegen der >Kühe auf der Weide<.
    »Wirklich treffend, Ihre Zeitungsartikel«, lispelte Miss Wicks freundlich. »Und so humorvoll! Ich sag’s ja immer, Fremde haben einen viel besseren Blick für uns.« Schelmisch drohte sie mit dem Zeigefinger. »Und so scharfsinnig seid ihr in Amerika.«
    »Sind wir… wo?« fragte Mel konsterniert.
    »Ja«, bestätigte Miss Wicks. »Wirklich intelligent. Ich habe eine Nichte in Amerika – Sie kennen sie wahrscheinlich. Sybil heißt sie.«
    Mel tätschelte die schmale kleine Altfrauenschulter. »Nein, tut mir leid, da irren Sie sich. Ich komme aus Liverpool – weiter nach Amerika bin ich noch nicht gekommen.«
    Das kleine Gesicht verzog sich in viele Runzeln, der welke Mund stand offen – Allmächtiger, gleich heult sie, dachte Mel – und begann zu lachen: »Hihi – hehihi!« Scherzend tappte die kleine Alte Mel auf den Arm, die falschen Zähne glänzten, sie nickte freundlich und wandte sich zum Gehen. Mels Blicke folgten ihr begeistert, als sie unter mehrfachem »Hehihi!« den Fahrweg überquerte und straßabwärts verschwand.
    Mensch – das war ein Motiv für einen Strip. Karikaturserie: Belohnte Tugend? Hilfreiche Hand für Miss S.? Mit neuen Meldungen war fürs erste Essig. Aber zu Ende – nee. Delphick war ja immer noch hier und ebenso Bob Ranger. Solange die blieben, blieb sie auch.
    Und das Dörfchen kam wieder zur Ruhe. Alles war wieder normal, Tod und Verderben

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