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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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anderes erwarten, als daß die Leute es merken und wissen wollen – «
    »Ich sagte Ihnen doch, Martha – « Miss Seeton hatte es ihr schon mehrere Male erklärt, aber Martha ließ sich nicht von ihrer Meinung abbringen.
    »Ja, ich weiß. Ich habe nichts gegen die Polizei, im allgemeinen nicht. Trotzdem, die Art und Weise wie sie Stan behandelt haben, nur weil seine Fahrradlampe nicht funktionierte. Aber wenn es Ihnen das Leben leichter macht und Sie sich Spülmaschinen und ähnliches leisten können, will ich nichts gesagt haben. Trotzdem – die Polizei sollte vorsichtiger sein, und Sie auch! Oder Sie werden eines Tages umgebracht, und ich möchte nicht wissen, wo Sie dann landen.«
    Miss Seeton mochte über diese Dinge keine Spekulationen anstellen. Sie hatte es satt zu streiten. »Wir hatten nur das Pech, daß es gerade der Abend des Erntetanzes war. Sonst hätte niemand etwas gemerkt. Auf jeden Fall werden sie es bald vergessen. Es ist vorbei und erledigt. Die Polizei brauchte eine Zeichnung von dem Gesicht eines bestimmten Mannes. Der Chefsuperintendent wollte nicht, daß ich sie gestern abend machte. Er meinte, wir seien alle müde und brauchten einen Kaffee – natürlich schwarzen für Mr. Haley. Daher muß ich jetzt anfangen, denn es kommt bald jemand, um sie abzuholen.« Sie sah auf die Uhr. »Sollten Sie jetzt nicht zu Hause sein, Martha? Was ist mit dem Mittagessen für Stan?«
    »Ich habe etwas Kaltes für ihn vorbereitet und ihm gesagt, ich würde erst zum Tee zurück sein. Auf dem Heimweg holt er Ihr Fahrrad vom Bahnhof und bringt es Ihnen, wenn er herüberkommt, um das Gras zu mähen. Ich lasse Sie nicht allein, wenn jeden Augenblick Leute hereinplatzen und niemand an der Tür ist, um sie abzuwimmeln.« Nachdem sie so die Opposition in Grund und Boden geredet hatte, wurde Martha gnädig. »Ich habe ein gutes Haschee und Gemüse gekocht. Ihr Mittagessen ist also fertig. Sie können es hier im Wohnzimmer nehmen; hinterher gibt es Käsetoast.«
    Nach dem Mittagessen machte sich Miss Seeton an die Arbeit. Sie konnte das falkenähnliche Gesicht, das sich ihrem Gedächtnis so klar eingeprägt hatte, einfach nicht als konventionelles Porträt auf das Papier bringen. Sie zerriß mehrere Versuche und saß nun in Gedanken versunken da. Ihre Hand begann, hin und her zu gehen: Linien, flüchtig und lebendig, wurden zu einem Vogel auf einer zackigen Felsspitze, der einen Fang erhoben hatte. Aus seiner Klaue fielen brennende Häuser, die in der Luft zerbarsten, und aus den Häusern stürzten Menschen. Mit den Krallen des anderen Fanges hatte der Vogel vier Gestalten gepackt, die er auf den Felsen preßte: zwei Männer und zwei Frauen. Drei von ihnen lagen lang ausgestreckt da, während eine Frau, die der Vogel nur an der Ferse gepackt hatte, um ihre Freiheit kämpfte. Das erhobene kleine Gesicht hatte Ähnlichkeit mit Deirdre Kenharding. Hinter dem Vogel sah man ein Nest mit Eiern; aus einem Ei schlüpfte schon ein Schnabel.
    Miss Seeton betrachtete traurig die Karikatur. Viel zuviel Phantasie. Konnte man natürlich nicht verwenden. Allerdings mußte sie zugeben, daß der Vogel Mr. Thatcher sehr ähnlich war. Jedoch kaum das, was man von ihr verlangte. Sie konnte sich nicht entschließen, die Skizze zu zerreißen. Sie legte sie daher zur Seite und machte einen neuen Versuch. Schließlich brachte sie ein genaues Porträt von Thatcher zustande. Es war angemessen, aber ohne Leben. So! Sie hatte das Gefühl, das würde genügen. Erleichtert legte sie ihr Zeichenmaterial weg, packte die Karikatur in eine Mappe und schob sie in eine Schublade ihres Schreibtischs. Das Porträt steckte sie in einen großen Umschlag.
    Ein Klopfen an der Haustür kündigte einen weiteren Besucher an. Sie erhob sich halb von ihrem Sitz, dann fiel ihr ein, daß Martha heute dageblieben war.
    Martha erschien in der Tür. »Es ist eine junge Dame; gibt ihren Namen nicht an – sagt, Sie würden ihn nicht kennen –, aber Sie würden sie wiedererkennen. Ich wollte sie abwimmeln, aber sie gibt sich nicht zufrieden. Es ist sehr wichtig – angeblich.«
    Deirdre Kenharding drängte sich an ihr vorbei ins Zimmer. »Bitte, Miss Seeton, ich wußte gestern abend nicht, wer Sie sind. Aber es ist wirklich wichtig. Ich muß mit Ihnen sprechen, bitte!« Das arrogante lässige Gehabe war verflogen. Sie war ein sehr hübsches Mädchen, sogar schön, wenn sie in ihrem Kummer lächelte und um Hilfe bat.
    »Es ist gut, Martha«, sagte Miss Seeton und wandte

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