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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Klatschen von Gummisohlen auf dem Asphalt. Vergessen war, daß die übergroßen Hinterteile von viel zu engen Hosen eingezwängt waren.
    »Eric«, japste Mrs. Blaine, »hast du das gesehen?
    Grauenvoll. So … Oh, ich glaube, mir wird schlecht. Wie konnte sie nur? Es ist furchtbar. Aber ich hab’s ja die ganze Zeit gesagt, oder etwa nicht? Eric?« Sie blieb stehen. »Eric?« Sie schaute sich um. »Eric?« wimmerte sie voller Angst. Aber Eric war nicht da – Mrs. Blaine war mutterseelenallein.
    Denselben Weg zurück, die dunkle Straße entlang, durch das quietschende Tor, um das Cottage herum bis zum Eck.
    Dort blieb Mrs. Blaine zitternd stehen und hielt sich an der Ziegelmauer fest – weiter wagte sie sich nicht. Aus einem beleuchteten Fenster im oberen Stockwerk drohte Gefahr.
    Ein Schatten schob sich vor das Licht – ein Kopf wurde sichtbar und drehte sich erst in die eine, dann in die andere Richtung, dann schaute er nach unten; ein dürrer Arm wurde in die Dunkelheit gestreckt, die Handfläche war  nach oben gedreht. Eine flehende Geste? Die Anrufung von Geistern aus höllischen Gefilden? Norah Blaine versuchte angestrengt, sich ein Gebet ins Gedächtnis zu rufen. Die Hand, die das gräßliche Werk vollbracht hatte, wurde zurückgezogen.
    Nein – Miss Seeton schloß das Fenster –, nein, es regnete nicht. Sehr gut. Trotzdem war es ziemlich kalt draußen. Ein früher Frost? Hoffentlich nicht, das würde den Blumen schaden. Sie war fast sicher, ein Geräusch gehört zu haben. Aber nein, jetzt war alles still. Könnte ein Hund gewesen sein. Oder eher die Katzen. Jedenfalls gab es keinen Grund, sich zu ängstigen. Sie konnte beruhigt wieder zu Bett gehen.
    Die Verwünschungen waren ausgestoßen; der Kopf  verschwand, die Vorhänge wurden zugezogen, das Licht ging aus. Bebend setzte sich Mrs.  Blaine wieder in  Bewegung. Sie schirmte den Schein ihrer Taschenlampe mit einer Hand ab und leuchtete über den Boden. Sie fand die andere Lampe – sie war zerbrochen – und hob sie auf.
    Sie sah sich weiter um, und endlich entdeckte sie Miss Nuttel, die flach hingestreckt dalag. Ihre Augen waren geschlossen, und das Gesicht schimmerte wachsbleich in der Dunkelheit. War sie tot? Hatte das schändliche Weibsstück ihr das Schlimmste angetan?
    »O Eric, hat sie dich getötet?« Sie tastete nach dem Puls.
    Sie fühlte etwas und merkte, daß die Freundin noch atmete. »Sag etwas, oh, bitte.« Sie schlug ihr leicht ins Gesicht. Die leblose Gestalt krächzte. Ein Krächzen? Was hatte diese boshafte Frau mit Eric gemacht? Hatte sie Zaubersprüche angewandt? War Eric verhext? Das  krächzende Geräusch war verräterisch und sehr gefährlich.
    Mrs. Blaine preßte rasch die Hand auf den Mund der Freundin. Miss Nuttel rappelte sich mühsam in eine sitzende Position auf.

    »W-was ist passiert?« murmelte sie.
    »Schsch«, beschwor Mrs. Blaine sie. »O Eric, bitte steh auf. Wir müssen von hier verschwinden, solange wir noch können.«
    Miss Nuttels benommene Sinne erwachten allmählich zum Leben. Trotz ihres forschen Auftretens und ihrer lakonischen Aussagen setzte sie der Anblick von Blut immer außer Gefecht. Mrs. Blaine half ihr umständlich auf die Füße. Miss Nuttels Knie waren noch schwach, und sie klammerte sich an ihre kleine, rundliche Freundin. Arm in Arm schwankten sie zur Ecke des Cottages und zur Vorderseite, dann überwanden sie den kurzen Weg durch den Vorgarten, passierten noch einmal das Tor, das ein letztes protestierendes Quietschen von sich gab, und torkelten wie zwei erschreckte Hühner nach Hause.

Kapitel 4
    »Sie war gestern nachmittag ganz bestimmt noch da – auf dem Tisch in der Halle; bei eurer Ankunft war ich gerade dabei, sie einzupacken. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was mit ihr geschehen ist. Ich habe überall gesucht. Glaubst du … Oh, danke.« Sie nahm sich von dem Gemüse. Nigel servierte seinem Vater, bediente sich selbst, stellte die Schüssel auf die Anrichte und nahm wieder Platz. »Glaubst du nicht«, wagte Lady Colveden erneut einen Vorstoß, »daß Basil sie, als er dein Gepäck hereinbrachte, an sich genommen und aus Versehen in sein Auto gelegt hat?«
    »Willst du …« Der Putenhals blähte sich auf, die geröteten Kehllappen bebten, die schnabelartige Nase deutete steil nach oben –, »willst du damit andeuten«, kreischte Honoria Trenthorne, »daß mein Sohn eine Puppe stehlen würde?«
    »Nein, nein, natürlich nicht.« Lady Colveden machte einen Rückzieher.

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