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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Predigt  für diesen Tag war nicht wie sonst vom Heiligen Geist durchdrungen, aber das machte nichts – es hörte ohnehin niemand zu. Sogar seine Schwester Molly, die ganz vorn saß, gestattete sich, ihre Gedanken abschweifen zu lassen.
    Was führten die Leute im Schilde, was hatte das Getuschel zu bedeuten? Dem Himmel sei Dank, daß Arthur nie etwas bemerkte, ehe man ihn mit der Nase darauf stieß. Aber ein solches Benehmen war wirklich schändlich; so ungezogen hatte sie die Dorfbewohner noch nie erlebt, Nicht einmal damals, als Mrs. Welsted mit Grippe im Bett gelegen und sich geweigert hatte, Miss Pydell den Schlüssel zu geben, damit sie an der Orgel üben konnte – das Resultat war, daß Miss Pydell jetzt in Rye in die Kirche ging und Plummergen damit in arge Verlegenheit brachte, weil sie dort die Orgel spielte. Molly schaute sich mit strengen Blicken um und zischte leise: »Schsch!« Sie bewirkte nichts damit. Sie lehnte sich zurück und schloß die Augen, um sich zu konzentrieren und ein paar Worte  aufzuschnappen. Sie strengte sich richtig an, weil sie unbedingt erfahren wollte, was diese Unruhe zu bedeuten hatte. »Die Augen starrten ins Leere«, hörte sie. Na, das war in diesem Dorf wirklich nichts Ungewöhnliches – alle starrten hier hin und wieder mit leerem Blick in die Gegend. »Sie schwang ihren Schirm und verfluchte sie, und der Nuttel war plötzlich ganz schummrig zumute.«
    Miss Nuttel war schummrig zumute? Vielleicht eine Erkältung. »Armes, kleines Ding, sie hat ihm den Kopf abgehackt und zum Ausbluten aufgehängt.« Was hat wer abgehackt? Sie mußten über Miss Seeton sprechen, weil sie den Schirm erwähnt hatten. Arme Miss Seeton. Sie war ein solcher Gewinn für die Gemeinde. Lernten diese törichten Menschen denn nie, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern? »Man sollte sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen, wirklich.« Was war das?

    »Ertränken, das hätte sie verdient.« – »Sie ist durchs Fenster geflogen, auf ihrem Regenschirm – das haben sie ganz deutlich gesehen.« -»Gefährlich.« – »Ich lasse meine Eileen jedenfalls nicht mehr in die Schule gehen, das ist mal sicher.«
    Die Predigt und Miss Treeves Geduld waren am Ende.
    Der Gottesdienst klang aus, und die Gemeinde trabte hinaus, um auf dem Kirchhof weiter zu tratschen. Ein paar Eltern drängten sich um den Schuldirektor und  protestierten. Mr. Jessyp behauptete seinen Standpunkt und blieb bei seinem einmal gefaßten Entschluß. Die Eltern der Kinder, die der Schule ohne ärztliches Attest fernblieben, würden Ärger bekommen, warnte er.
    Martha Bloomer schäumte vor Wut und setzte denen, die sich um sie versammelt hatten, den Kopf zurecht. Nicht zu fassen, daß einige Leute so dämlich sein konnten, ihr Brombeergelee für ein geschlachtetes Baby zu halten! War das zu glauben? Und was die beiden verrückten Weiber betraf, sie würde ihnen ihre Neugier schon austreiben.
    Was fiel denen überhaupt ein, mitten in der Nacht herumzuspionieren? Es geschah Miss Nuttel ganz recht, daß sie in Ohnmacht gefallen war. Schade war nur, daß sie überhaupt wieder zu sich gekommen war.
    Die Colvedens – ohne Tante Bray, die zu Hause  geblieben war und sich mit ihrer neuen Religion befaßte –  erfuhren die brandheißen Gerüchte von Miss Treeves.
    Miss Nuttel und Mrs. Blaine blieben steif und fest dabei: Miss Seeton kochte Babyköpfe zum Abendessen. Na, Meg Colveden hatte ja immer schon geahnt, daß die beiden Frauen nicht ganz richtig im Kopf waren, jetzt wußte sie es mit Bestimmtheit.
    Als es Zeit zum Mittagessen wurde, war das Dorf in zwei Lager gespalten – in dieser Hinsicht war alles wie immer. War Miss Seeton nun eine echte Hexe oder nicht?

    Ein paar Kinder meinten, sie sei keine, aber ihre Eltern beschworen das Gegenteil. Einige Eltern machten sich über den Klatsch lustig, doch ihre Kinder behaupteten, mit eigenen Augen gesehen zu haben, wie Miss Seeton auf ihrem Regenschirm durch die Nacht geflogen war. Der Werkstattbesitzer fürchtete, es könnte etwas an den Gerüchten dran sein; die Stillmans hingegen waren überzeugt, daß es nichts gab, wovor man sich ängstigen müßte. Reverend Arthur und Miss Treeves führten Gegenargumente an und widerlegten die Behauptungen; die Welsteds vom Textilgeschäft hielten die Gerüchte für absolut wahr. Miss Nuttel und ihre Freundin beharrten darauf, alles mit eigenen Augen gesehen zu haben. Lady Colveden setzte dem entgegen, das sei nur ein Beweis dafür, daß die

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