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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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viel mehr herauszukriegen als ein wirres Gelispel über Herz- und Kreuz-Damen und das Pik-As, Karten, die in dieser speziellen Konstellation darauf hingedeutet hätten, daß in Miss Seetons Haus etwas Fürchterliches vor sich ging. Dieser Unsinn konnte wohl kaum als konkreter Beweis für üblen Vorsatz herangezogen werden – nicht einmal gegen die magischen Mächte, die ihre Botschaften mit Hilfe der Karten übermittelt hatten. Glücklicherweise schien sich Miss Seetons Vorherbestimmung, aus dem größten Chaos mit heiler Haut davonzukommen, auch auf ihre Freunde auszudehnen. Dank ihres lächerlichen Hutes lag Miss Wicks jetzt, umgeben von Blumensträußen, Obstschalen und Gläsern mit hausgemachter Marmelade, in Dr. Knights Pflegestation, genoß die schönste Zeit ihres Lebens und zischte und lispelte ihre abenteuerliche Geschichte, bis auch der letzte ihrer vielen Besucher über jedes Detail Bescheid wußte. Sogar die Lokalzeitung hatte ihr eine Überschrift und einen kleinen Artikel gewidmet, da jedoch weder Blut geflossen war noch ein schwerer  Diebstahl oder eine sensationelle Vergewaltigung stattgefunden hatte, zeigten die überregionalen Blätter kein Interesse. In Sweetbriars mußte etwas gewesen sein, was irgendjemand unbedingt in seinen Besitz bringen wollte. Etwas, von dem dieser Jemand genau wußte, daß es dort war. Und da nur die Schubladen des Schreibtisches durchsucht worden waren, mußte dieses Etwas gefunden worden sein.
    Delphick unternahm einen neuerlichen Versuch. »Sind Sie sicher«, fragte er, »daß nichts fehlt? Ein Papier, ein Zettel aus Ihrem Schreibtisch wäre das Nächstliegende.
    Oder vielleicht eins Ihrer Bilder?«
    Miss Seeton kniete neben ihrer Zeichenmappe auf dem Boden und breitete die Hände aus. »Es ist äußerst schwierig, ganz sicher zu sein, Superintendent. So viele Zeichnungen sind nur Skizzen, sozusagen kurze Notizen –
    und man vergißt leicht, daß man sie je gemacht hat. Aber ich bin alles gründlich durchgegangen, und mir ist nicht aufgefallen, daß etwas fehlt.«
    Delphick runzelte die Stirn. »Nicht etwas, was Sie kürzlich gemalt haben? Keine Zeichnung, die Ihnen selbst irgendwie eigenartig vorgekommen?«
    Miss Seeton sah ihn hilflos an. »O nein. Ganz bestimmt nicht. Ach …« Eine Erinnerung blitzte auf. »Das heißt nichts, außer natürlich die Kirche.«
    »Welche Kirche?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Es muß eine Kirche gewesen sein, die ich irgendwann gesehen habe und deren Anblick ich nicht vergessen wollte – deshalb habe ich wohl eine Skizze angefertigt. Und dann hab’
    ich’s doch getan – vergessen, meine ich.«
    Der Sergeant schlug sein Notizbuch zu. Miss Seeton war wieder ganz die alte – zumindest so gut wie. Das Orakel  schien im allgemeinen in der Lage zu sein, den Ball anzustoßen und seine verschlungene Laufbahn zu  verfolgen, aber es hatte kaum Sinn, wenn er dieses Kauderwelsch mitstenographierte.
    »Und dann«, entsann sich Miss Seeton, »habe ich noch dieses Aquarell am Meer gemalt; nur um den Kindern etwas zu zeigen, wonach sie sich bei dem Wettbewerb richten konnten.«
    »Und wo ist die Ansicht von der Kirche?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Ich fürchte, ich habe sie verloren – so unachtsam –, und ich mußte eine andere malen.«
    »Ich verstehe.« Der Superintendent ging in Miss Seetons Wohnzimmer auf und ab. »Dieses zweite Bild – das für die Kinder-, darf ich das mal sehen?«
    Miss Seeton erhob sich. »Aber natürlich. Ich bin überzeugt, daß Mr. Jessyp nichts dagegen einzuwenden hat. Es ist in der Schule. Er wollte die Bilder heute morgen an die Wand im Klassenzimmer hängen, und meines ist dort, weil es ihnen eine Ahnung vermitteln sollte, worauf es bei Landschaftsmalerei ankommt.«
    Sie begaben sich zu dritt zur Schule.
    Delphick war beeindruckt von den beachtlichen Arbeiten der Schüler, von denen keiner älter als elf Jahre war, und überrascht, auch Collagen und ein Gedicht vorzufinden.
    »Sie meinen, die Kinder haben mit diesen Sachen ihre Aufgabe erfüllt? Zu meiner Zeit haben wir gezeichnet, wenn es hieß: Ihr müßt zeichnen. Jeder, der sich nicht daran hielt, bekam was zu hören.«
    »Ich bitte Sie, Superintendent«, protestierte Miss Seeton.
    »Die Hauptsache ist doch, daß die Kinder lernen, richtig zu sehen.«

    Miss Seetons Bild gehörte allerdings nicht zu den Ausstellungsstücken. Sie sah sich um und entdeckte ihren zusammenklappbaren Zeichenrahmen und die Mappe auf dem Lehrerpult. Sie

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