Miss Seeton und der Hexenzauber
Stinkwut, weil sie hier so lange herumhingen. Gewöhnlich schnappten sich Duke und N. die Kiste mit dem Geld und den Wertsachen und machten sich dünne; die anderen hauten zwei oder drei Tage später ab, nachdem sich die Gimpel an ihrem geheimen Ort eingerichtet hatten und von ihren ewigen Atemübungen schon fast hinüber waren. Aber diesmal, bei all dem Theater in der Kirche und den Polizisten, die überall herumschnüffelten, war ihnen gar nichts anderes übriggeblieben, als zuwarten. Zugegeben, die Jungs mußten die unterirdischen Gänge benutzen, und es war ein ständiges Kommen und Gehen – das könnte auffallen –, aber Duke hatte ihnen eingeschärft, daß sie sich nur allein oder höchstens zu zweit blicken lassen durften, für den Fall, daß jemand aus der Umgegend die Augen offenhielt.
Die Dorfpolizisten hätten normalerweise längst das Handtuch geworfen, trotz Dukes Einfall, Merilee genau so auf dem Altar zu drapieren wie vorher die Puppe, aber sie hatten nicht mit diesem Superintendent vom Yard und der alten Zicke da drüben gerechnet. Deshalb hatte Duke darauf bestanden, einen Hexensabbat im Wald zu veranstalten, um die Aufmerksamkeit von den Dünen abzulenken, wenn sie das Zeug wegschleppten.
Basil sah wieder auf die Uhr. Es war Zeit, in Aktion zu treten. Der Tunnel von der Höhle bis zur Küste war nur etwa eine Meile lang, aber wenn sie die Beute tragen mußten, kamen sie wahrscheinlich nicht sehr schnell voran. Und dann mußten sie die Kiste noch an Bord bringen. Evelyn und seine Leute hatten vielleicht auch erst den halben Weg geschafft. Wie auch immer, sie mußten sich nach ihm, Basil Trenthorne, richten und durften die Wagen erst starten, wenn sie das Feuer lodern sahen. Er war derjenige, der sich dann abhetzen mußte – das war der einzige Haken daran, wenn man ein Ablenkungsmanöver inszenierte. Sobald alles erledigt war, würde er die Beine in die Hand nehmen und wie der Teufel fahren müssen, um Duke und N. ein Stück weiter unten an der Küstenstraße aufzulesen – und natürlich seinen Anteil von der Beute abzuholen. Basil Trenthorne wäre nie in den Sinn gekommen, daß ihn die Geldgier seiner Arbeitgeber und ihre Neigung, Unfälle zu arrangieren, das Leben kosten könnte, nachdem alles erledigt war. Basil holte das lange schwarze Gewand aus dem Päckchen und streifte es über, dann nahm er die klobige Ziegenmaske und eine Fackel und ging zu Miss Seeton zurück.
Hilary Evelyn war viel größer und breiter als Basil – das Gewand war ihm zu lang, und er stolperte über den Saum.
Er raffte den Rock mit der Hand, in der er die Fackel hielt.
Ihm entging, daß dabei Öl aus dem Behälter, in dem der dicke Docht steckte, überschwappte und den Stoff durchtränkte.
Miss Seeton war überrascht, als sie die schwarze Gestalt sah. »Liebe Güte, was …«
»Ich streife die Maske über, zünde die Fackel an und steige auf das Podium«, erklärte er ihr ruhig. »Sie folgen mir. Ich habe ein paar Stämme bereitgelegt, damit Sie bequem wie auf Stufen hinaufsteigen können. Wenn Sie da oben stehen, sehen Sie sich die Leute ganz genau an, vielleicht erkennen Sie jemanden, der neulich in der Kirche war.«
»Aber …«
»Keine Sorge, Miss«, beschwichtigte er sie. »Wenn ich mit diesem Zeug hier erscheine, denken sie, wir beide gehören dazu.«
Und genauso war’s ja auch – Miss Seeton war die Jungfrau, die heute geopfert wurde.
Miss Seeton hätte weitere Einwände erhoben, aber ihr Begleiter legte die Fackel aus der Hand und stülpte sich die Ziegenmaske über den Kopf.
»Es dauert nicht lang«, brummte er durch die Mundöffnung. »Die Sache ist im Nu ausgestanden.« Ganz bestimmt, das Reisig und die Späne, die sie unter die Äste gepackt hatten, würden in Null Komma nichts lichterloh brennen. Und da die Ränder des Podiums mit Paraffin bearbeitet waren, konnte die Alte den Flammenwänden, die sie nach kürzester Zeit umgeben würden, auch nicht mehr entkommen. Sie machte sicher ein paar Freudensprünge, wenn es ihr heiß unter den Füßen wurde – lustig, wie eine Katze auf heißen Ziegeln. Schade war nur, daß er sich nicht lange genug aufhalten konnte, um sich das Schauspiel bis zum Ende anzusehen.
Auch die Maske war für einen größeren Mann gedacht, und Basil hatte Schwierigkeiten, etwas zu sehen. Er bückte sich nach der Fackel, fummelte mit Streichhölzern herum und schaffte es beim zweiten Versuch, den Docht anzuzünden. Er tastete sich vorsichtig weiter bis zu
Weitere Kostenlose Bücher