Miss Seeton und der Hexenzauber
seine Ordnung haben, und wenn sie weg ist, komm’ ich wenigstens zu einer Tasse Tee.«
»Aber Sie sagten, sie fuhren in Richtung Süden über den Kanal. Ist Ihnen das denn nicht komisch vorgekommen?
Das ist doch der falsche Weg zum Präsidium.«
»Das stimmt und stimmt auch wieder nicht, Sir. Man kommt auch so nach Ashford – es ist vielleicht ein ziemlich großer Umweg, aber …«
Delphick gab es auf. Chris hatte ja gesagt, daß er sich etwas einfallen lassen mußte, um das Cottage bewachen zu lassen. Offenbar war er zu erschöpft gewesen für gute Einfälle, sonst hätte er nicht eine solche Niete mit dieser Aufgabe betraut.
Ein Bericht von Ashford wurde durchgegeben: Potter, dem Police Constable von Plummergen, war auf seiner Runde ein schwarzer Humbler aufgefallen, der mit überhöhter Geschwindigkeit über die Straße entlang der Dünen gerast war. Potter hatte sofort kehrtgemacht, um dem Wagen zumindest so lange zu folgen, bis er die Nummer erkannt hatte – eine Londoner Nummer –, aber dann konnte er nicht mehr mithalten. Da Potter von der Fahndung nach einem falschen Polizeiauto gehört hatte, meldete er den Vorfall unverzüglich über Funk. Erst dachte er, ein Chauffeur säße am Steuer, aber aus der Ferne sah eine Polizeikappe wohl genauso aus. Zudem hatte er den Eindruck gehabt, daß jemand auf dem Rücksitz gesessen hatte. Die Nachricht war auch schon an alle Streifenwagen durchgegeben worden, aber bis jetzt war noch keine Rückmeldung erfolgt. Delphick arbeitete in aller Eile einen Plan aus. Falls Miss Seeton nicht rechtzeitig zurück war, konnte Sergeant Ranger zu Judy’s Gap fahren und den Männern von der Wasserwacht und vom Zoll die Situation erklären. Er selbst wollte lieber in Plummergen bleiben. Da sofort nach Potters Bericht eine Großfahndung nach dem schwarzen Humbler eingeleitet worden und seither kein Hinweis auf den Verbleib des Autos eingegangen war, vermutete er, daß der Fahrer die öffentlichen Straßen verlassen hatte. Konnte er Potter nach Plummergen zurückbeordern, damit wenigstens ein Mensch mit klarem Verstand ein Auge auf Sweetbriars hatte? Dann wäre Miss Seetons schwachköpfiger Ex-Bodyguard wieder frei und könnte im unterbesetzten Präsidium von Ashford aushelfen. Delphick leitete alles telefonisch in die Wege, dann breitete er die Landkarte aus. Die Straße durch die Dünen verlief an der Kirche vorbei und durch Iverhurst, ehe sie in die Schnellstraße nach London mündete. Iverhurst? Sie hatten alle Männer aus der Kirche abgezogen, aber nach all dem Wirbel war es äußerst unwahrscheinlich … Der Humbler mußte weitergefahren sein – es erschien ihm nur logisch, daß sie Miss Seeton so schnell wie möglich aus dem Distrikt zu bringen versuchten, falls sie überhaupt noch am Leben war. Er lief ruhelos auf und ab und dachte nach, mit einemmal blieb er vor dem Kamin stehen und starrte auf das Bild, das auf dem Sims stand. Ein trostloses Aquarell von einem windgepeitschten Moor mit Heidekraut und finsteren Wolken. Ein grauer Tag. Bob hatte, nachdem das Bild entstanden war, lachend behauptet, es sei Miss Seetons Porträt von ihm, Delphick. Delphicks strenger Mund verzog sich für einen kurzen Augenblick zu einem Lächeln. Könnte sein, daß Bob recht hatte, vielleicht hatte Miss Seeton ihn sogar ganz gut getroffen. Er fühlte sich tatsächlich trostlos und grau. Er machte sich Vorwürfe, weil er jemals eingewilligt hatte, daß sie in die Angelegenheiten der Polizei einbezogen wurde, und weil er nicht imstande gewesen war, für ihre Sicherheit zu sorgen. Naivität und Unschuld waren in diesem Spiel verhängnisvoll, das wußte er nur zu gut. Er hatte von Anfang an vermutet, daß diese Bande rücksichtslos und brutal war, und der Mord an Mrs. Paynel hatte gezeigt, daß sie keine Zeit verschwendeten. Wenn der Humbler noch unterwegs war, dann hatten die Streifenwagen die besten Chancen, ihn zu finden. Es hätte keinen Sinn, wenn er selbst planlos durch die Gegend fahren würde. Der Superintendent setzte sich, um mit dem Rest an Geduld, den er aufbringen konnte, auf Neuigkeiten zu warten. Ein cleverer Trick, sie mit einem falschen Polizeiauto von hier wegzulocken. Selbst jemand, der weniger vertrauensselig als Miss Seeton war, wäre nicht auf den Gedanken gekommen, Fragen zu stellen.
Ich muß schon sagen, dachte Miss Seeton verwundert, der junge Mann fährt ein bißchen zu schnell, oder nicht?
Sie hatte immer geglaubt, Polizisten wären so umsichtige Chauffeure.
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