Miss Seetons erster Fall
Tatsache, und so glaube ich nicht, daß es Ihnen was nützt. Aber ich weiß – ’tschuldigung, wieder falsch: Ich weiß es nicht, ich vermute nur, daß sie mit Einbrüchen angefangen haben. Diebstähle.«
»Sarkasmus und Unhöflichkeit bringen uns nicht weiter.«
»Da haben Sie recht«, antwortete Nigel scharf. »Aber ich sehe nicht ein, warum das nur für einen gelten soll.«
»Gleichgültig, welchen Verdacht Sie diesen Leuten gegenüber haben – nach dem wenigen, was Sie mir gesagt haben, ist er offenbar unbegründet.«
»Unbegründet?« rief Nigel empört. »Wenn Sie sonst nichts glauben – wie ist das mit gestern nacht?«
»Gestern nacht haben Sie, Mr. Colvenden, persönlich mitgeholfen, daß sie ein hieb- und stichfestes Alibi haben. Beide Autos meilenweit weg von Plummergen, einer davon im Straßengraben. In dem Augenblick, in dem die Schießerei stattfand, die Insassen beider Wagen in Gesellschaft eines Polizeibeamten, dem sie den Unfall erklären. Demnach können sie es nicht gewesen sein. Nein, ich halte es für viel wahrscheinlicher, daß Sie mit diesen jungen Leuten wegen irgendeiner eingebildeten Beleidigung oder Kränkung eine Rechnung begleichen wollen. Hinzu kommt, falls ich nicht irre, daß Sie die Polizei für Ihre private Vendetta einzuspannen versuchen, indem Sie anonyme Anzeigen und Warnungen durchgeben, die sich dann als völlig stichhaltlos erweisen.«
»Völlig stichhaltlos erweisen?« Nigels Wut löste ihm die Zunge. »Und wie ist das mit dem bedauernswerten Ehepaar, das neulich ausgeraubt und zusammengeschlagen wurde? Ist das auch eine Einbildung von mir?«
»Eine konkrete Beschuldigung.« Delphick ging zu seinem Stuhl, setzte sich, streckte die Beine von sich und schob die Hände in die Taschen. »Endlich. Vielleicht kommen wir jetzt weiter. Woher wissen Sie, daß diese Leute damit zu tun haben? Sind Sie dabei gewesen?«
»Nein, ich war nicht dabei«, sagte Nigel gereizt, »Ich hab’ nicht mal gewußt, was los ist. Erst am nächsten Tag hab’ ich’s erfahren.«
Stirnrunzelnd sagte Delphick: »Heute morgen habe ich mir die Akten dieses Falles angesehen. Aussagen von Ihnen werden nicht erwähnt. Wenn Sie soviel wissen, warum sind Sie dann nicht offen zur Polizei gegangen?«
»Das hätte eine Menge genützt.«
»Jawohl, es hätte eine Menge genützt. Die einzige vernünftige Erklärung, falls Sie nicht selbst in die Geschichte verwickelt sind, ist die, daß Sie jemand zu decken versuchen.«
»Ich.«
»Sie brauchen gar nicht zu protestieren. Ersparen Sie sich das. Ich habe weder Zeit noch Lust, mit Ihnen Ringelpiez zu spielen. Wenn ich recht habe, würden Sie es doch abstreiten, und rauskriegen tue ich es sowieso. Eines möchte ich aber ganz klar betonen: Ich schätze es nicht, wenn«, die nächsten Worte kamen scharf und deutlich, »wenn unverschämte, dumme, miese Halbstarke andere Leute in Lebensgefahr bringen und deren Eigentum ruinieren, bloß, um ihr Amüsement zu haben. Oft nehmen sie auch noch Rauschgift, damit die Sache noch aufregender wird, und dadurch werden sie charakterlich genauso mies, wie sie sich benehmen. Ich weiß, heutzutage gilt es als fortschrittlich, diese Typen für krank, bemitleidenswert und hilfsbedürftig zu erklären, aber wenn man sieht, was ich gesehen habe, und wenn man weiß, was sie damit anrichten, dann wird einem klar, daß es angesichts der Zahl anständiger Leute auf dieser Welt bloße Zeit- und Geldverschwendung ist, diesen Abschaum vor dem Untergang zu bewahren. Besser und viel einfacher, man schwemmt ihn in die Gosse, wo er hingehört.«
Nigel sprang auf. Vor Zorn stotterte er. »Wie k-können Sie so etwas sagen. Sie w-wissen überhaupt nichts davon. Bloß, weil Sie älter sind, glauben Sie, Sie können alle Probleme der Welt lösen und wissen, wie man mit s-sämtlichen Schwierigkeiten fertig wird. Wie ist das mit den Eltern, häh? Sehen Sie sich zur Abwechslung die mal an. Sie können sich nicht vorstellen, w-was es heißt, jung zu sein, ohne Bruder oder Vater oder Schwester, bloß mit ’ner Mutter, die den ganzen Tag blöde Bücher schreibt und nie irgendwohin geht. oder einem erlaubt, irgendwohin zu gehen. Sie werden verdammt schnell versuchen, ein paar Freunde zu finden, die genauso jung sind wie Sie, mit denen man was unternehmen kann, mit denen man ein b-bißchen Spaß haben kann, und schließlich endet es damit, daß Sie an die Falschen geraten und gräßlich in die Klemme kommen, so wie es Angie passiert ist.«
6
»Sehen
Weitere Kostenlose Bücher