Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
Vom Netzwerk:
lassen. Sie war sowieso schon halb eingenickt. Übermüdet, die Arme. Kein Wunder. Er stand auf und stellte die leere Tasse auf einem Tisch an der Wand ab, blieb beim Zurückkommen hinter Miss Seeton stehen und blickte ihr über die Schulter. Ins Blaue.
    Donnerwetter, sie ging ja ran. Nein, doch nicht. Sie kritzelte bloß. Nur ein paar gerade Linien. und dann noch mehr, ganz durcheinandergekrakelt. Er blickte auf und sah die Augen des Superintendent drohend auf sich gerichtet – wehe, wenn er sich rührte, wehe, wenn er nur Atem holte.
    Ins Blaue.
    Streifen. Teufel, nein, das waren keine Streifen, das waren Käfigstangen. Ein Auge. zwei Augen, aus den Strichen stierend. Nein, jetzt konnte er es erkennen: zwei Augen, die ins Dunkle starrten. Aber warum hinter Gittern? Und was hatten diese Schlangenlinien zu bedeuten?. Haare – lange Haare. »Allmächtiger!« entfuhr es ihm. »Caesar!«
    Miss Seeton fuhr zusammen. »Aber nein. Viel mehr Haare und kein Kranz.«
    Das Blatt rutschte vom Tisch, der Superintendent fing es auf, warf einen Blick darauf und schob Sergeant Ranger das Telefon hin: »Nachprüfen, ob wir Lebels Foto in den Akten haben.« Er drehte sich strahlend zu Miss Seeton um. »Gute Arbeit«, sagte er. »Ich hatte gleich das Gefühl, Sie würden es schaffen. Gute Arbeit, wirklich. Erspart uns eine Menge Hin und Her.«
    »Sie haben ihn also erkannt?« Offensichtlich freute sie sich.
    »Ja. César Lebel, gar kein Zweifel. Aber sagen Sie.« Er betrachtete die Zeichnung: »Warum das Gitter?«
    »Oh, das tut mir leid.« Sie biß sich auf die Lippe. »Entschuldigen Sie, das kam ganz unabsichtlich. Und dabei will ich gerade diese Dinge unterbinden. Bei meinen Schülern, meine ich, und bei mir selbst, natürlich. Ich meine, man soll nur zeichnen, was vorhanden ist, vor allem, wenn man erst lernt. Und das gilt dann auch für den Unterricht. Bis man es gelernt hat. Und dann spielt es natürlich keine Rolle mehr, nicht wahr? Ich meine – selbstverständlich darf man Regeln durchbrechen, vorausgesetzt, man begreift ihren Sinn. Aber manchmal fällt es mir tatsächlich schwer, zwischen dem zu unterscheiden, was wirklich da ist, und dem, was man zu sehen glaubt. Besonders, wenn man nach dem Gedächtnis arbeitet. Ich weiß nicht, wieso.« Sie schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: ». aber wenn ich an diesen jungen Mann denke, sehe ich einen. sehe ich ein Tier im Käfig.«
    »Stimmt genau. War eingesperrt und wird wieder eingesperrt. Ein brutaler Bursche. In England geboren. Eltern Franzosen. Ständig in Scherereien, schon von der Schulzeit an.«
    Der Sergeant unterbrach ihn: »Aufnahmen aus dem Verbrecheralbum sind da, Sir. Wollen Sie selbst mit ihnen reden?«
    »Ja.« Er nahm den Hörer. »Harry?. Gut. Macht ein paar Abzüge und gebt einen Fahndungsbefehl an alle Stationen, bitte, ja? Damit spart ihr mir Zeit. Nein, nicht die alte Platte ›Hilfe bei Aufklärung‹. Schreibt: ›Gesucht in Verbindung mit dem Mord an Mrs. Hickson, geborene Marie Prévost‹, und seht zu, daß die Presse es kriegt. Ich weiß, aber er soll glauben, daß es fugendicht ist. Nein, keine Fingerabdrücke, überhaupt nichts, bloß eine Zeugen-Identi. Eben, das ist die Gefahr. Ich will, daß Lebel und seine Bande denken, wir hätten mehr. Daß wir ihn praktisch im Kasten haben. Danke. Bis später.« Den Hörer auflegend, drehte er sich um. »Wie ist es, Miss Seeton – können Sie es noch ein Weilchen mit uns aushalten, oder sollen wir morgen früh weitermachen?«
    »Am besten, wir tun es jetzt. Das heißt, wenn es Ihnen nichts ausmacht und nicht zu spät für Sie wird.« Wie um Entschuldigung bittend, fuhr sie fort: »Wissen Sie, ich muß morgen ziemlich früh zum Bahnhof, weil ich aufs Land fahre. Und ich glaube auch nicht, daß man meine Handtasche schon gefunden hat. Man wollte mir sofort Bescheid sagen, weil ich ohne Hausschlüssel nicht rein kann.«
    »Ihre Tasche, ja.« Ernst sah er sie an. »Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Unsere Leute haben sie nicht gefunden, und so ist sie vermutlich gestohlen worden.«
    »Gestohlen worden? Aber da war doch niemand. Nur dieser nette Mr. Walters, so freundlich und hilfsbereit. Nie im Leben würde er.«
    »Nein, nicht Mr. Walters. Der junge César.«
    »Aber. aber dazu war doch gar keine Zeit.«
    »Und als Sie beide auf dem Boden gelegen haben?« Miss Seeton dachte nach. »Jaaa. Schon möglich.«
    »Höchst wahrscheinlich, muß ich leider sagen. Hauptsächlich deshalb hat man Sie

Weitere Kostenlose Bücher