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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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befassen. Man gab nur den Namen und die Adresse an, und dann hat die Organisation das Weitere erledigt. Die betreffenden Personen wurden beobachtet, und wenn die Zeit reif war, lernten sie zufällig jemand kennen, der sie mit dem versorgen konnte, was sie wollten – und mit Stärkerem. Die Organisation hat gewußt, daß ihr selbst nichts passieren konnte. Sogar angenommen, man machte sich seine Gedanken – man war ja gebunden, weil man selber drinhing. Die Organisation hat sich immer Leute ausgesucht, die gute gesellschaftliche Beziehungen und einen gewissen gesellschaftlichen Status hatten. Leute, die zwar die Formen wahrten, aber dringend Geld brauchten.«
    Miss Seeton rutschte unbehaglich im Sessel hin und her. Eine bestürzende Geschichte, wirklich. Und so privat. Die arme Mrs. Venning, sie konnte einem leid tun. Und offenbar glaubte sie, der Tod ihrer Tochter sei so etwas wie eine Vergeltung. Nun ja, sie selber hatte ja Ähnliches geahnt, als sie die Niobe-Zeichnung gemacht hatte, obwohl sie nicht das geringste von solchen Dingen verstand. Vielleicht konnte man sagen, daß die arme Mrs. Venning tatsächlich keine Schuld hatte – das heißt, am Tod ihrer Tochter. Denn in anderer Hinsicht, selbst wenn man ihre damalige schwierige Lage und die Versuchung berücksichtigte, mußte man eben doch zugeben, daß sie leider. nun ja, verantwortungslos gehandelt hatte. Andererseits – es war ja so lange her. Miss Seeton unterdrückte ein Seufzen. Bestimmt war es nicht gut, sich darüber zu äußern. Was konnte man schon sagen. Aber wie konnte man taktvoll andeuten, daß man gehen mußte? Miss Seeton, mit ihren Überlegungen an einem toten Punkt angelangt, verpaßte ihre Chance, denn Mrs. Venning fuhr fort:
    »Ich konnte es mir leisten, meine alte Kinderfrau anzustellen, damit sie mir mit der Wohnung und Angela half. Eines Abends, als ich Angela die Gute-Nacht-Geschichte erzählen wollte – sie war noch in der Badewanne –, hörte ich, daß Mrs. Fratters ihr einen Kinderreim beibrachte, den ich schon als Kind von ihr gelernt hatte: Ist-mir-Egal ist reingefallen, Ist-mir-Egal kriegt Senge, Ist-mir-Egal kriegt’s heimgezahlt, Ist-mir-Egal muß hängen. Eine ganze Woche bin ich nicht aus dem Haus gegangen, denn in der Nacht bin ich aufgewacht und habe immer wieder Davids Stimme sagen hören: ›Ist-mir-Egal kriegt’s heimgezahlt, Ist-mir-Egal muß hängen.‹ Ich habe versucht, zu einem Entschluß zu kommen, wie es weitergehen sollte. Ich habe probiert, die Gute-Nacht-Geschichten, die ich mir für Angela ausgedacht hatte, zu Papier zu bringen. Ich hatte Glück. Das Manuskript wurde angenommen, das Buch wurde ein Schlager. Als das zweite Buch angenommen war, fühlte ich mich sicher genug, dieses Haus hier zu kaufen. Ich brach alle Beziehungen zu London ab und fing von neuem an. Vielleicht wäre es gutgegangen, wenn ich nicht immer noch Angst gehabt hätte. Soviel Angst, daß ich das letzte Tablettenfläschchen nicht wegwarf. Soviel Angst, daß ich es als Notgroschen für alle Fälle aufhob. Ich versteckte es hinten in einem Arzneischränkchen, und nach ein paar Jahren hatte ich es völlig vergessen. Voriges Jahr muß Angela es gefunden haben. Wahrscheinlich damals, als ich wegen einer Verlagsbesprechung in London war. Nach und nach fiel mir auf, daß sie immer guter Laune war, heiter, vergnügt – und ich freute mich. Dann war sie allzu ausgelassen, zu oft übermütig und dann wieder niedergeschlagen. und ich fing an, mich zu wundern. Ständig zog sie mit dieser fürchterlichen Clique vom Club herum. Ich hatte den Verdacht, daß man sie dort mit Rauschgift in Berührung gebracht hatte. Marihuana konnte es nicht sein, das hätte ich gemerkt. Dadurch fiel mir das verdammte Fläschchen ein, und ich beschloß, es zur Sicherheit wegzuwerfen, Angela dann zu einem Arzt zu bringen und, falls mein Verdacht stimmte, etwas dagegen zu unternehmen. Das Fläschchen war weg. Und da hatte ich Angst, mit einem Arzt zu sprechen, ich hatte Angst, daß alles herauskommen und ich vor Gericht gestellt würde. und vor allem hatte ich Angst, Angela könnte erfahren, was ich früher getan hatte. Ich habe nicht einmal gewagt, ihr Fragen zu stellen. Wir haben nie darüber gesprochen. Töricht, wie ich war, wollte ich ohne andere Hilfe ihre Sucht eindämmen, Angie kurieren. Ich habe ihre Sachen durchsucht, an ihr herumgenörgelt, immer wissen wollen, wo sie hinging und mit wem und warum – und damit habe ich sie nur gegen mich aufgebracht.

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