Miss Sophie, Sie können mir vertrauen
sollte sie jetzt sagen?
Sie ermahnte sich, die Sache leichtzunehmen und ihn nicht merken zu lassen, was in ihr vorging. Sie befürchtete zwar nicht, er werde die Situation noch mehr ausnutzen, doch ihr grauste davor, dass er sie bemitleiden würde, wenn er sah, wie sehr sie aus dem inneren Gleichgewicht geraten war.
“Das … das war sehr lehrreich, … Mylord”, sagte sie, und ihre Stimme hatte nur leicht gezittert. “Im Vergleich mit Sir Philip sind Sie tatsächlich besser.” Oje! Hatte sie das wirklich geäußert?
Ungläubig starrte David sie an. Lehrreich? Lehrreich, hatte sie gesagt? Großer Gott! Er merkte, wie sehr sie um Selbstbeherrschung rang, und sagte sich, er sei ein arroganter Narr, der ihr helfen müsse.
“Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie das so sehen können”, erwiderte er, ohne ihr im Mindesten dankbar zu sein. Er wollte nicht, dass sie in ihm nur einen temporären Lehrmeister sah. Verdammt wollte er sein, wenn er wusste, was sie von ihm denken sollte, aber ganz gewiss nicht sollte sie ihn als Lehrmeister ansehen.
“Natürlich bin ich Ihnen dankbar dafür, dass Sie mich für besser als Garfield halten.” Zum Teufel, er musste verschwinden, ehe er seine bisherigen Leistungen noch übertraf. Wieder sah er Miss Marsdens Lippen beben. Verdammt! So konnte er sie nicht zurücklassen. Das wäre zu grausam gewesen.
Die Tür wurde aufgerissen, und Fanny stürmte mit Kit in den Raum.
“Tante Sophie! Ich bin über eine Hecke gesprungen! Ja, wirklich!” Angesichts des fragenden Blicks Seiner Lordschaft grinste Kit und fuhr fort: “Nun, sie war recht niedrig. Auch Miss Fanny ist gut hinübergesprungen, jedenfalls für ein Mädchen.” Kit duckte sich nicht schnell genug, um dem Hieb auszuweichen, den Miss Melville ihm gegen die Schulter versetzte. Dann streckte sie ihm in einer Weise die Zunge heraus, die dazu angetan gewesen wäre, ihre sanftmütige Gouvernante zur Verzweiflung zu bringen.
Lord Helford lachte nur und erwiderte: “Hinaus, du ungezogenes Kind! Es ist Zeit, dass wir uns verabschieden. Und schlage Kit nicht wieder. Das gehört sich nicht; du weißt, dass er dich nicht schlagen darf.” Zum Teufel mit den Gören! Warum mussten sie ausgerechnet jetzt ins Zimmer gekommen sein?
Sophie erhob sich. “Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Tag, Mylord, Miss Fanny. Ich hoffe, Ihre Gesellschaft wird ein großer Erfolg.”
David empfand es wie einen Stich, so kalt verabschiedet zu werden. Ihm blieb jedoch keine andere Wahl, als sich in die Situation zu fügen. Er verneigte sich, zog Kit leicht am Ohr und sagte ihm, er solle nett zu seiner Tante sein. Fanny umarmte Miss Marsden, die sie mittlerweile lieb gewonnen hatte, und rannte hinter dem Onkel und Kit her.
Sophie fragte sich, warum der Viscount sie auf diese Weise geküsst hatte. Staunend legte sie die Fingerspitzen auf die Lippen. Sie hätte sich nie vorstellen können, dass ein Kuss solche Gefühle in ihr wecken könne. Sie kam sich vor, als stünde sie in Flammen und würde verbrennen. Erging es Lord Helford ebenso? Hatte er sie so küssen können, ohne etwas Stärkeres, Tieferes als Verlangen zu empfinden? Waren Männer wirklich anders?
“Miss Sophie”, sagte Anna beim Betreten des Raums. “Ich habe Sir Philip gehen gesehen. Hat er versucht, Sie zu belästigen?”
Sophie nickte. “Ja, das war sehr … unerfreulich. Zum Glück kam Lord Helford ins Zimmer und … und …”
“Hat Sir Philip eine verpasst! Seien Sie vorsichtig, Miss Sophie. Sie sollten nicht allein sein, wenn ein Mann Sie besucht. Aber von Seiner Lordschaft haben Sie nichts zu befürchten. Im Dorf erzählt man sich, dass er auf Freiersfüßen geht.”
Sophie wäre nicht schockierter gewesen, hätte Anna einen Eimer kalten Wassers über ihr ausgegossen. “Auf Freiersfüßen? Er geht auf Freiersfüßen? Wer ist die Frau?”
Anna zuckte mit den Schultern. “Eine der jungen Damen, die zu ihm zu Besuch kommt, eine gewisse Lady Lucinda, mit der er so gut wie verlobt sein soll.” Prüfend schaute sie Miss Sophie an. “Sie sehen richtig mitgenommen aus. Ruhen Sie sich aus. Ich kümmere mich um alles. Kommen Sie jetzt.” Einem großen Hirtenhund gleich drängte sie sie wie ein Lämmchen aus dem Salon.
Im Schlafzimmer setzte Sophie sich in einen Sessel und starrte leeren Blicks vor sich hin. David ging auf Freiersfüßen. Was also konnte er von ihr wollen? Bestenfalls amüsierte er sich durch einen kleinen Flirt. Schlimmstenfalls …
Weitere Kostenlose Bücher