Miss Winbolt ist schockiert
hier wohnen, Rosa?“
„Selbstverständlich. Als Philip mir vom Schaden am Witwenhaus erzählte, haben wir beide sofort beschlossen, dass wir die drei Ashendens im Ostflügel unterbringen. Doch jetzt bin ich mir nicht mehr sicher …“
„Was meinst du damit?“
„Das war bevor wir wussten, dass du bei deiner dummen Entscheidung bleibst.“
„Was macht das für einen Unterschied?“
„Du wirst ihm wohl kaum aus dem Weg gehen können, wenn er mit den Kindern in Shearings lebt. Oder hattest du vor, einfach nach London zu fliehen und irgendein Kindermädchen an deine Stelle treten zu lassen?“
Was Emily noch in der Nacht als Lösung vorgeschwebt hatte, wies sie nun entschieden von sich: „Natürlich nicht!“
„Wäre es nicht besser für die Kinder, wenn er eine andere heiratete? Weißt du, ob er eine im Sinn hat?“
„Hör auf, Rosa! Warum bist du so grausam? Ich will für die Kinder das Beste. Natürlich können sie ihre Zuneigung nicht so leicht auf eine andere Person übertragen, wie du es vorschlägst.“
„Ich bin weit davon entfernt, so etwas vorzuschlagen. James und Laura haben dir ihre bedingungslose Liebe geschenkt. Als wir gestern bei meinem Vater waren, haben sie nur von dir und eurem künftigen Zusammenleben gesprochen. Es wird ihnen das Herz brechen. Aber vermutlich hast du das bei deiner Entscheidung in Kauf genommen.“
Emily lief im Raum auf und ab. Rosa und sie waren stets gute Freundinnen gewesen. So hatte sie sie noch nie erlebt. Sie hielt an und starrte ihre Schwägerin an. „Niemand kann mir einen Vorwurf machen. Muss ich denn einen Mitgiftjäger mit offenen Armen empfangen, damit er mit meinem Geld machen kann, was er will? Darf ich nicht verletzt sein, wenn er mich für unansehnlich und eigensinnig hält?“
„Du widersprichst dir selbst! Du hast eben schon zugegeben, dass William kein Mitgiftjäger sein kann! Das hätte ich dir auch vorher sagen können, bevor wir wussten, dass er sehr wohlhabend ist. Ich habe dich davor gewarnt, dem Geschwätz Glauben zu schenken. Und was das andere anbelangt, gibt es sicher eine Erklärung. Ich hoffe, du kommst zur Vernunft, bevor es zu spät ist. Wenn es nicht schon längst zu spät ist.“
„Was meinst du damit?“
„William ähnelt Philip. Die freundliche Art täuscht darüber hinweg, dass sie durchaus entschlossen und hart handeln können, wenn es nötig ist. Ich weiß nicht, ob der Mann, der vor einer Weile dieses Haus verlassen hat, dir so leicht vergeben wird.“
„Mir vergeben? Was soll William mir denn vergeben?“
„Dass du wankelmütig bist …“
„Wankelmütig?“
„Meine Güte, du hast ihm genug vertraut, um ihn heiraten zu wollen. Und jetzt bist du wegen ein paar Worten, die du wahrscheinlich falsch gedeutet hast, bereit, ihn in dem Moment im Stich zu lassen, wo er am dringendsten Unterstützung braucht. Das nenne ich wankelmütig.“
Emily setzte sich und schwieg. Rosa fing wieder an zu nähen und sagte nach einer Weile: „Nun, Emily?“
„Ich benötige Zeit, um nachzudenken.“
Als sie das Zittern in Emilys Stimme vernahm, legte Rosa ihr Nähzeug beiseite und lächelte sie mitfühlend an. „Die Kinder werden bald wieder hinunterkommen. Soll ich ihnen sagen, dass du etwas Ruhe brauchst?“
„Nein, ich habe heute kaum Zeit mit ihnen verbracht. Ich will draußen mit ihnen spielen. Die frische Luft wird uns allen guttun.“
Emily und die Kinder waren noch im Garten, als William nach Shearings zurückkehrte. Er hörte ihre übermütigen Stimmen, als er die Auffahrt hochritt, und lächelte wehmütig. Er stieg ab und ging in den Garten. Die Kinder hatten ihn bemerkt, rannten auf ihn zu und bettelten darum, auf die Arme genommen zu werden. Er hob sie beide hoch und sah Emily über ihre Köpfe hinweg an. „Waffenstillstand?“, fragte er. „Um ihretwillen?“
„Was ist denn ein Waffenstillstand, Onkel William?“, wollte James wissen.
Emily hob Laura vom Arm ihres Onkels. „Es bedeutet, dass euer Onkel und ich … dass wir nicht streiten.“
„Das ist lustig!“, kicherte Laura. Sie gab Emily einen Kuss. „Das tut ihr doch nie!“
„Wollen wir ins Haus gehen? Ich habe euch etwas mitzuteilen“, sagte William und hob James auf seine Schultern. Laura rief: „Ich auch, ich auch!“
Emily versuchte, Laura ebenfalls auf ihre Schultern zu hieven, doch es gelang erst, als William zu Hilfe kam. „Halt dich mit beiden Armen fest“, forderte er Laura auf und legte ihre Ärmchen um Emilys Hals. Einen
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