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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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ich je erlebt habe«, sagte Don.
    »Don«, sagte Susan, »versetz dich mal in meine Lage, okay? In meinem Gehirn gibt es das letzte Jahr gar nicht. Plötzlich stehe ich mitten in Pennsylvania auf einer Straße, und schon schleift man mich nach Hause zu Mummy, die für mich nach wie vor eine Diebin ist, die sich nicht nur meine gesamten Fernseh-Gagen unter den Nagel gerissen, sondern mich auch noch gezwungen hat, meine ganze Kindheit lang vor den Augen einer nicht enden wollenden Prozession von Chevy-Händlern und kleinen Frisören auf der Bühne mit dem Hintern zu wackeln. Ich hatte vor einem Jahr nicht den Wunsch, mit ihr zu sprechen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.« Don, der sich plötzlich in der Rolle des Diskussionstrainers wiederfand, nickte benommen.
    »Glaubst du ernsthaft«, sagte Marilyn, »dass ich, als ich die Absturzstelle besichtigt habe - und versuch nicht, mir zu erzählen, dass du dich daran nicht erinnerst, ich weiß genau, dass du es tust - Amnesie, so ein Blödsinn - und all diese Leichenteile und Schuhe und Armbanduhren und Tabletts gesehen habe, aufeinandergestapelt und verkohlt wie Pfeffersteaks auf einem Grill bei Benihana's - dass ich, als ich zwischen all dem hindurchgelaufen bin, mir wirklich gewünscht haben könnte, meine eigene Tochter wäre tot? Dass ich mir gesagt haben könnte: Mensch, Marilyn, endlich hast du das große Los gezogen - na ja, schade um das Kind?« Marilyn ging hinüber zur Spüle, wo Don den Rum und die Schokoladenmilch abgestellt hatte, goss sich einen Drink ein und nahm einen Schluck. Das Glas war schnell leer. »Diesen Absturz würde ich niemandem wünschen, nicht mal meinem schlimmsten Feind. Aber ich habe keinen schlimmsten Feind, weil ich nicht mal Freunde habe. Was habe ich? Wirklich? Ich habe Don, und ich habe dich, und dich hab ich noch nicht mal richtig. Ja, ich hätte durch dein Verschwinden, wo auch immer du gewesen bist, beinahe einen Riesenhaufen Geld verdient, aber das eine möchte ich festhalten: Du bist verschwunden. Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Es war eine Tortur, kein richtiges Ende zu haben. Das ganze Geld, das ich im Laufe des letzten Jahres gescheffelt habe, gehört mir. Ich habe nicht dafür gearbeitet, und vielleicht steht es mir auch nicht zu, aber ich schäme mich nicht dafür.«
    Draußen auf der Straße sah Susan durch die Küchenläden den Ü-Wagen eines Fernsehsenders und daneben einen Typen, der einen rumpelnden Generator einschaltete. »Mich würde interessieren, was die Leute da draußen auf der Straße glauben, was wir jetzt hier drinnen tun«, sagte sie. »Na ja, uns in dem Armen liegen oder irgend so 'n Quatsch«, sagte Marilyn.
    Susan dachte an Eugene und Eugene Junior. Sie verspürte einen Anflug von Versöhnlichkeit. »Mom, hat es dir jemals, und. sei es nur für einen kurzen Moment, Leid getan, dass du mir mein Leben gestohlen hast?«
    »Dein Leben gestohlen?« Marilyn knallte ihr Glas auf den Tisch. »Jetzt mach mal halblang. Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist.«
    »Was ich bin?« Ein kleiner Nadelstich der Hoffnung piekste Susans Haut. Vielleicht würde sie jetzt herausfinden, was es war, zu dem sie geworden war. »Ich bin ganz Ohr, Mom. Bitte, sag mir, was ich bin.«
    »Du bist meine Tochter und du bist hart wie Stahl.«
    Diese nichts sagende Antwort zerschlug Susans schwache Hoffnung. »Was für ein Quatsch.«
    »Wenn du mich nicht hättest, würdest du jetzt in irgendeiner Kleinstadt in Oregon einen Minivan voller Gören zu einem Fußballspiel fahren.«
    »Das klingt doch wunderbar. Vielleicht hätte ich das gewollt.« 
    »So ein Blödsinn. Du bist zu Größerem geschaffen. Sieh dich doch an. Und schau aus dem Fenster. Die Medien schenken dir jetzt mehr Aufmerksamkeit als einem Bombenanschlag auf eine Botschaft.«
    »Ist das alles, worum es dir geht? Die Medien? Was, wenn ich tatsächlich einen Haufen Kinder hätte, Mom. Was, wenn ich tatsächlich einen ganzen verdammten Chevy Lumina voller kreischender Bälger hätte, und alle würden genauso aussehen wie du?«
    Marilyn zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie sagte: »Kinder?«
    »Und was, wenn ich niemals zulassen würde, dass du sie zu Gesicht bekommst? Niemals. Was, wenn ich ihnen sagen würde, du wärst tot und sie könnten ihre Großmutter nie kennen lernen?«
    »Das würdest du nicht tun.« 
    »Ach, nein?«
    Don mischte sich ein: » Mädels, j etzt beruhigt euch doch mal...« 
    »Halt's Maul, Donald«, sagte Marilyn.

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