Miss Wyoming
essen.«
»Die bitte was essen?«
»Spam. Dosenfleisch. Das hat Mr. Jordan, mein ehemaliger Chef, mir erzählt. Er hat gelesen, dass es in den Supermärkten unten im Südpazifik ganze Gänge mit nichts als Spam gibt. Die Amerikaner haben herauszufinden versucht, wieso dieses Inselvolk so auf Spam steht, und es stellte sich heraus, dass nichts dem Geschmack von gekochtem Menschenfleisch so nahe kommt wie der salzige Schweinefleischgeschmack von Spam.« Don lauschte mit offenem Mund.
»Wir halten diese lustigen kleinen Inselmenschen dort unten in ihren lustigen kleinen Hula-Röcken für ach so anständig.
Doch für sie ist Kannibalismus überhaupt nichts Unanständiges, und daher scheint es mir, Don Colgate, dass Anstand ein ziemlich flexibler Begriff ist, also hör auf, mir hier irgendwelche Standpauken zu halten.«
Aber nun war es Marilyn, deren Mund fassungslos offen stand, während sie in Seneca zwischen dem überall verspritzten gekochten Menschenfleisch hindurchging. Sie wurde von einer Person in einem der vielen Schutzanzüge, von denen es an der Unglücksstelle nur so wimmelte, nach ihrem Namen gefragt. Sie antwortete: »Susan Colgate ist meine Tochter. Ich bin ihre Mutter. Haben Sie sie gesehen?« Die Absätze ihrer Schuhe waren gebrochen. Sie trug ein Paar rosa Damenlaufschuhe, die sie vor ein paar Minuten, als sie sich das Schienbein angeschrammt hatte, mit einem Walkman-Kopfhörer verschlungen gefunden hatte.
Bei Sonnenuntergang fuhr eine Gannett-Reporterin namens Sheila mit Marilyn zum Holiday Inn vor Ort und überließ ihr ihr Bett. Sheila verfasste ihre Artikel und wuselte zwischen ihrem Laptop, ihrem Handy und dem Fernseher hin und her. Marilyn rief Don an. Er traf am nächsten Morgen ein. Beide verbrachten den Tag an der örtlichen Eisbahn, die kurzfristig in eine Leichenhalle umgewandelt worden war. Eistanzmusik begleitete die Familienmitglieder der Absturzopfer, die die noch »identifizierbaren« Überreste in Augenschein nahmen. Reihen um Reihen von Gliedmaßen, Rümpfen und kleineren Leichenteilen, alle von schwarzen Vinylplanen bedeckt, waren ordentlich auf aufgebockten Spanplatten angeordnet. Fünf Tage vergingen, und sie hatten immer noch keine Spur von Susan gefunden. Marilyn ließ sich Blut für DNS-Tests abzapfen, mit denen Leichen, die derart verstümmelt waren, dass sich weder Züge noch Gebiss erkennen ließen, leichter identifiziert werden konnten. Sie kehrten nach Cheyenne zurück, die Gemütslage so trüb wie beschlagene Wagenfenster, die Gefühle auf Eis. Sheila rief jeden Tag an, um zu fragen, ob Susan schon identifiziert worden sei, aber nein. Doch auch das reichte für eine Geschichte, denn der örtliche Gerichtsmediziner konnte sich ebenso wenig vorstellen, wo Susans Überreste geblieben waren, wie die Fluggesellschaft und die Zivilflugbehörde. Die Hitze war nicht so groß gewesen, dass eine Verdampfung stattgefunden haben könnte, und die DNS einer jeden Wimper und eines jeden Fingernagelschnipsels innerhalb des Umkreises von einer halben Meile war überprüft worden. Zu diesem Zeitpunkt brachte Sheila Marilyn mit Julie Poyntz, einer prominenten Schadensersatzanwältin, zusammen, die das folgende Jahr damit verbrachte, ihren Prozess zu gewinnen, indem sie das Leid ins Feld führte, das den Angehörigen aus der Tatsache erwuchs, dass der Fluggesellschaft die Leiche eines Fluggasts abhanden gekommen war, eine Leiche, die ebenso gut in der Tiefkühltruhe irgendeines psychotischen Fans liegen konnte.
»Man verliert nicht so einfach eine Leiche, Mrs. Colgate - Marilyn.« Das war am Anfang ihrer Geschäftsbeziehung. »Ich möchte jetzt nicht näher darauf eingehen, was aus ihren Überresten geworden sein könnte, aber ...« »Was, wenn sie noch am Leben ist?«, fragte Marilyn. Julie machte tss-tss. »Sie waren doch dort, Marilyn. Jeder in dieser Maschine ist tot und/oder schwer verstümmelt.« Marilyn stieß einen spitzen Schrei aus.
»Tut mir Leid, Marilyn, aber Sie dürfen nicht zimperlich sein. Nicht jetzt. Wir werden diesen Prozess gewinnen. Das wissen die, und das wissen wir. Die Frage ist nur, in welcher Höhe und wie schnell. Das Geld kann Sie für den Verlust Susans -die, wie ich hinzufügen möchte, in Meet the Blooms ein Vorbild für mich war - nicht entschädigen, aber es ist zumindest etwas.«
In dieser Zeit floss aus vielen Richtungen Geld in Marilyns Leben, und jede neue Entwicklung oder jedes neu entdeckte Babyfoto erzielte durch clevere Verhandlungen mit
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