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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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plaudern, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Eis zu. Er hob den Beutel mit den zusammengeschmolzenen Eisstücken hoch, ließ ihn fallen, und der Inhalt zersprang in einzelne Würfel. Das Geräusch, das dabei ertönte, war furchterregend, und Ivan fragte aus dem Wohnzimmer, ob John etwas passiert sei. John rief zurück: »Nein - alles bestens«, und jetzt war es ganz leicht, sich so viele Würfel zu nehmen, wie er wollte.
     

Kapitel Sieben
     
     
    John stand einsam und allein auf dem Gehsteig und sah zu, wie der Polizeiwagen mit Susan davonfuhr. Er rührte sich nicht vom Fleck, während die Sonne hinter dem Berg unterging. Hatte er sein Auto beim Restaurant stehen? Nein, Nylla hatte ihn dort abgesetzt. So beschloss er, den Rest des Heimwegs zu Fuss zu gehen. Er war fürs erste in Ivans Gästehaus untergeschlüpft, das Haus, in dem er aufgewachsen war und in dem seine Mutter immer noch lebte. Dort wohnte John, seit er vor zwei Monaten von seinem katastrophal gescheiterten Experiment in Sachen Landstreicherleben zurückgekehrt war. Er lief den Sunset Boulevard entlang, ohne die Blicke der vorbeifahrenden Autofahrer zu registrieren, von denen viele ihre Handygespräche mit Äußerungen spickten wie:
    -   »Großer Gott ... das ist John Johnson ... Er läuft tatsächlich zu Fuß den Sunset Boulevard runter!«
    -   »Au weia, sieht der furchtbar aus ... "Wie viel hat Mega Force insgesamt eingespielt? ... hui ... So viel?«
    -   »Vielleicht ist er wieder auf dem Landstreichertrip - ich meine, er sieht aus wie ein Mexikaner, der einem an der Ampel für 'n Dollar einen Beutel Orangen verkauft.«
    -   »Ja, ich bin absolut sicher, dass er es ist... Er ist ganz schön dünn, oder vielleicht sollte ich lieber sagen: nicht mehr so aufgedunsen wie vor seiner 239. Entgiftung.«
    -   »Lag er nicht neulich noch im Krankenhaus? ... Mit Lungenentzündung? AIDS? - Nein, wenn es das wäre, wüßten wir davon.«
    -»Vielleicht hat er mal wieder Gott gefunden. So ein Spinner. «
     
    Ivan entdeckte John von seinem Audi aus und hielt direkt hinter der Ecke Gretna Green am Straßenrand. »John-O, was zum Teufel tust du hier? Komm, steig ein.«
    »Ivan, was weißt du über Susan Colgate?«
    »Susan Colgate? Fernsehen ... Rock 'n' Roll. Steig ein, dann erzähl ich's dir. Meine Güte, du riechst wie der Teppichboden im Umkleideraum vom Fitnesscenter.«
    »Ich bin vom Ivy bis hier gelaufen.«
    »Vom Ivy? Das ist doch irre weit weg.«
    »Ivan, was weißt du über Susan Colgate?«
    Ivan fädelte sich wieder in den Verkehr ein.
    »Später, später. Hast du die Wochenend-Einspielergebnisse aus Frankreich und Deutschland gesehen? Der reinste Wahnsinn!«
    »Ivan ...« John ließ nicht locker: »Susan Colgate.«
    »Jeder in der Stadt wird denken, dass du wieder durchgedreht bist. Zu Fuß. Auf dem Sunset Boulevard. Das gibt's doch nicht.«
    »Das ist mir egal, Ivan. Susan.«
    »Was ... hast du vor, ihr, äh, eine Rolle zu geben?«
    »Vielleicht.«
    »Willst du einen Star aus ihr machen?« Sie mussten beide lachen. Ivan hielt in der Auffahrt zu seinem Haus und tippte auf seinem Armaturenbrett einen Code ein, durch den sich das Tor öffnete. Sie fuhren hindurch und stellten den Wagen nicht wie sonst in der Garage, sondern an der Eingangstreppe ab. Dann stiegen sie aus. Ivan blieb stehen und hielt John am Arm fest, bevor dieser den Abhang hinunter zum Gästehaus ging. »Mein Gott, was für ein wunderschöner Tag, John-O. Sieh mal, wie das Licht durch den Mimosenbaum scheint. Sieht aus, als würde er von innen her leuchten, wie auf Demerol.«
    Die beiden Männer setzten sich auf die Kalksteinplatten der Einfahrt und betrachteten die von Aureolen der Spätnachmittagssonne umgebenen Pflanzen, Vögel und Insekten in Ivans Garten.
    »Wo warst du eigentlich grade?«, fragte John. »In meinem Fitnesstempel.« 
    »Immer noch dreimal die Woche?«
    »Si.« Die Rasensprenger neben einem Dahlienbett begannen zu sprühen. Ivan sagte: »Dann bist du also verliebt, John-O?
    In Susan Colgate - ha!«
    »Ich ... brauche sie. Unbedingt.«
    »Wo habt ihr euch kennen gelernt?«
    »Im Ivy. Heute.«
    »Beim Mittagessen? Heute?« Er stieß einen Pfiff aus. »Das ging ja schnell.«
    »Als ich vor einem halben Jahr im Cedars - du weißt schon -, sie war es, die ich gesehen habe, als ich im Sterben lag.« Ivan erstarrte, als er das hörte. »Mensch, John-O - ich dachte, das hättest du hinter dir.«
    »Was, Ivan? Ich bereue nichts, doch was ich getan habe,

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