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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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nächsten Film, The Wild Land, einen Historienschinken, der im Wyoming des frühen zwanzigsten Jahrhunderts spielte. Als Drehbuchvorlage diente ein Romanbestseller, den ein mit zwei Oscars ausgezeichneter Autor für die Kinoleinwand adaptiert hatte. Sechs der gefragtesten Filmstars, die alle phantastisch mit dem Regisseur, Träger einer Palme d'Or, zurechtkamen, waren die Darsteller. Der Film wurde nicht teurer als geplant, hatte einen mitreißenden Soundtrack, und als er schließlich anlief... floppte er total. Er erntete nicht so viel Häme wie The Other Side of Hate - er ging einfach sang- und klanglos unter, was viel verletzender war als die Äxte und Kettensägen, mit denen Hate zerfetzt worden war.
    Nach The Wild Land begannen John und Ivan mit der Arbeit an diversen Projekten, die jedoch über das Enwicklungsstadium nicht hinauskamen. Die Zeit verging. Filmstudios mutierten, fusionierten, verschwanden von der Bildfläche, und einige neue wurden gegründet. Japan trat auf den Plan. Der Publikumsgeschmack veränderte sich. Neue Zuschauerkreise entstanden. Die beiden Männer hatten ihre Basis verloren.
    John schloss die Bauarbeiten an seiner High-Tech-Fickhütte ab, die sich über fünf Jahre hingezogen hatten. Er versuchte, seinen Drogenkonsum einzuschränken, was ihn regelmäßig ganze Jahre kostete. Der Name Johnson wurde in der Branche zum Synonym für Ausrutscher, Verfehlungen und Abstürze. Er verlor das Interesse am Filmemachen. Seine Welt wurde enger, und sein Freundeskreis schrumpfte. John begann sich wie die alten Spiegel zu fühlen, die er in Europa in den einst prächtigen alten Palästen gesehen hatte: Die Silberschicht, die das Glas zum Reflektieren brachte, hatte sich langsam, Fleck für Fleck, aufgelöst.
    »Die Oscar-Saison hat wieder begonnen«, seufzte Ivan. »Haben wir etwa schon März?« Es war Morgen. Sie saßen auf der Rückbank eines Wagens und ließen sich zu einer Besprechung mit irgendwelchen Anwälten nach Century City fahren. Ivan war tadellos gekleidet, und sein Teint besaß das Leuchten, das acht Stunden drogenfreien Schlafs erzeugen. Johns Gesicht sah aus wie ein Fußboden am Ende einer Cocktailparty. »Wofür müssen wir uns dieses Jahr verantworten?«, fragte John.
    »Versuch bloß nicht witzig zu sein, John.« John schnupfte Koks von einem kleinen Oval aus Sicherheitsglas, das er in seinem Diplomatenkoffer bei sich trug. Er merkte, dass Ivan ihm einen finsteren Blick zuwarf. »Was willst du, Ivan? Ich muss schließlich wach bleiben. Du weißt doch, dass Anwälte auf mich die gleiche Wirkung haben wie schwere Betäubungsmittel.« Ivan wartete.
    Ein mit gigantischen Gold-Statuetten beladener Lkw fuhr in Richtung Veranstaltungsort - ein Traumfoto für jeden Touristen. Der Laster hielt an einer Ampel neben ihnen. John ertappte Ivan dabei, wie er die Statuen beäugte. »Nein, nein, nein, Ivan. Ich sehe diesen ›Hätten wir doch einen Oscar ‹ -Schimmer in deinen Augen. Tja, vergiss es. Oscars sind was für Freaks.«
    »Das ist doch nicht dein Ernst, John.«
    »Uuhhhh, schau mich an - ich hab eine kleine Statue gekriegt, weil ich der Alibi-Brite oder die behinderte Nuttendarstellerin des Jahres bin. Uuhhhh, schau mich an - in vierundzwanzig Stunden wird sich niemand mehr an meinen Namen erinnern. Uuhhh, das Studio kann lauter kleine Oscar™s auf die Anzeigen für meinen Film setzen - nicht bloß Oscars, sondern Oscars mit dem kleinen Markenzeichen ™ oben dran. Oscar™s.« Er zerhackte einen Kokskristall. »Ups - tut mir leid, ich hab das kleine ™ am Ende vergessen. Und ab geht's nach Alcatraz.«
    »John...« Ivan bediente sich seiner Babysitter-Stimme. »Übertreib's nicht mit dem Zeug. Die Typen, die wir treffen, sind mit allen "Wassern gewaschen.«
    » Oscars ...« Johns Zunge wurde schwer - kein gutes Zeichen. Ivan machte sich auf einen desaströsen Morgen gefasst und schraubte seine Erwartungen an das bevorstehende Meeting entsprechend herunter. Er hatte sich ebenso wie John von den Vorzügen und den Extremen des Filmemachens verführen lassen, aber anders als John sehnte er sich inzwischen nach Normalität. Das Leben, das er bis dahin geführt hatte, »ekelte« ihn »ganz offiziell an«. Seine wilden Jahre waren »ganz offiziell vorbei«, und nun war er »offiziell bereit, eine Familie zu gründen«. Und zu diesem Zeitpunkt sah er Nylla am Fuße eines Bürohochhauses. Tränen rannen ihr die Wangen hinab, und sie war in einen bedruckten Seidenschal gehüllt, der über

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