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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Alexander Colgate, also hat sie sieben Jahre lang in Polyandrie gelebt. Aber ich habe den Verdacht, Don Colgate hatte keine Ahnung, dass er Ehemann Nummer zwei war. Ich wette, wir drei sind außer Marilyn selbst die Einzigen, die ihr Geheimnis kennen.« Vanessa fuhr fort: »Susan ist in McMinnville, Oregon, aufgewachsen - in einem Wohnwagen. Als Kind hat sie an Hunderten von Schönheitswettbewerben teilgenommen und häufig das Finale erreicht oder gewonnen. Ihr größter Erfolg war der Titel der Miss USA Teen 1985 in Denver, aber sie hat ihre Krone noch auf der Bühne an LuAnn Ramsay übergeben, die heute übrigens die Frau des Gouverneurs von Arizona ist.« 
    »Das weiß ich alles schon«, sagte John. »Internet. Bibliothek. Zeitschriften. Hast du nichts Neues auf Lager?«
    »1997 wurde sie nach dem Flugzeugabsturz in Seneca fälschlicherweise für tot erklärt, und bis heute weiß niemand, wo sie - fast auf den Tag genau - ein ganzes Kalenderjahr verbracht hat. Selbst ich konnte nichts darüber finden.« 
    »Wie bescheiden.« 
    »Nun ja, etwas habe ich gefunden.« »Was?«, bestürmte John sie.
    »Vielleicht hat es nichts zu sagen, aber als ich ihre Telefondaten analysiert habe - « 
    »Was für Telefondaten?«
    »Sei doch nicht so naiv. Die Ära der Privatsphäre ist vorbei. Wie gesagt, ich habe ihre Telefondaten analysiert, und dabei ist mir etwas aufgefallen. Der Anschluss, den sie am häufigsten angerufen hat, gehört einem Typen namens Randy Hexum. Er lebt im Valley. Also hab ich mir Informationen über ihn besorgt, und es stellte sich raus, dass er aus Eerie, Pennsylvania, stammt. In Wirklichkeit heißt er Randy Montarelli, und er wohnte dreißig Meilen von der Polizeiwache entfernt, auf der Susan sich gestellt und behauptet hat, sie leide an Amnesie.« 
    »Und?«
    »Sie sind beide vor einem Jahr gleichzeitig in L.A. angekommen, und er hat einen Job bei Chris Thraice ergattert. Über Randy Montarelli-Schrägstrich-Hexum gibt es außerdem so gut wie keine Daten, seit er Eerie verlassen hat. Es ist verdammt schwer, ein unbeschriebenes Blatt zu sein, aber er hat es geschafft. Das ist reichlich verdächtig.« 
    »Er wohnt im Valley?« 
    »Ja.«
    Innerhalb einer Sekunde war John auf den Beinen, trug die leer gegessenen Teller in die Küche und schraubte den Deckel wieder auf die Cola. Er stellte sie in den Kühlschrank. »Kommt, wir gehen.«
     

Kapitel Zwanzig
     
     
    Als John noch klein war, damals in New York, und in die dritte Klasse ging, nahm an einem der Tage, an dem er nicht krank gemeldet war, ein Mathelehrer namens Mr. Bird, der außerdem als Sport- und Vertrauenslehrer fungierte, die gesamte bibbernde dritte Klasse mit hinaus auf den Schulhof. Er machte die Schüler auf weiße Kreidemarkierungen aufmerksam, die ein großes Quadrat begrenzten. Auf jeder dieser Markierungen positionierte er einen Schüler, und sobald alle auf ihren Plätzen standen, brüllte er folgende Worte in ein Megafon, das er mitgenommen hatte: »Kinder, seht euch diese Fläche vor euch genau an. Das nennt man einen Hektar. Den Rest eures Lebens werdet ihr Menschen über Hektar sprechen hören. Fünf Hektar. Dreitausend Hektar. Anderthalb Hektar. Nun, das hier ist ein Hektar. Seht ihn euch genau an. Prägt ihn euch fest ein, denn dies ist das einzige Mal in eurem Leben, dass ihr einen unverfälschten, hundertprozentig reinen Hektar zu Gesicht bekommt.«
    John konnte sich genau an diesen Hektar erinnern - kalt, nass und zertrampelt. Seine Größe war ihm tatsächlich im Gedächtnis haften geblieben, und als er kreuz und quer durchs Land wanderte, sah er nichts als Hektare, in allen Himmelsrichtungen, jeder hundertprozentig rein, hundertprozentig leer und die meisten herrenlos. Er war inzwischen zu einem echten Niemand geworden, das Land gehörte ihm. In seinen wenigen guten Momenten fühlte er sich wie ein König, aber diese Momente wurden seltener, je tiefer er in die amerikanische Landschaft abtauchte. Mit dem Sex war es vorbei. Die meisten Arten der Kommunikation waren verstummt. Frauen verschwanden aus seinem Leben, und er vermisste sie mit einer dumpfen heimwehähnlichen Sehnsucht. Er erhaschte nur noch flüchtige Blicke auf sie - gepflegt, gesund, klare Ziele vor Augen und meistens hinter einem sich eben schließenden Autofenster. John wusste, dass er zu jemandem geworden war, vor dem ihre Mütter sie gewarnt hatten. Er sehnte sich nach ihrer Gesellschaft, nach ihrer Fähigkeit, zu vergeben und Anteil am Leid anderer

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