Miss Wyoming
und sie entschuldigte sich, aber John sagte, das brauche sie nicht. Doch er wusste, dass seine Mutter wütend auf ihn war, weil er mit siebenunddreißig scheinbar immer noch unverändert war, weil er immer noch allein war und weil sie die Hoffnung so gut wie aufgegeben hatte, dass er sich je akklimatisieren, heiraten und sich fortpflanzen würde wie die Söhne der Frauen in ihrem Lesezirkel.
»Mein Rücken ist schuld«, sagte Doris und hämmerte auf ihr Kreuz ein, als wäre es ein Apparat, der nicht gehorchen wollte.
»Er tut höllisch weh, und ich habe den einzigen Arzt in Beverly Hills, der seinen Patienten ungern große Mengen Medikamente verschreibt.«
»Ist es immer noch so schlimm?«
»Wie eh und je.«
»Ich dachte, du probierst gerade eine neue ...«
»Die hilft nicht.«
»Kannst du nicht zu einem anderen Arzt gehen? Dir mehr Pillen verschreiben lassen?«
»Könnte ich. Will ich aber nicht. Nicht jetzt. Ich käme mir so -ich weiß nicht, verkommen vor, wenn ich auf diese Weise Medikamente abzocken würde. Und Dr. Christensen kennt meine ganze Lebensgeschichte. Ich bin nicht in der Stimmung, mit jemand Neuem wieder bei null anzufangen.«
»Also hältst du die Schmerzen lieber aus?«
»Im Moment? Ja.«
Sie verloren keine weiteres Wort über Doris' Gefühlsausbruch. Als die Nachrichten auf CNN vorbei waren, hatte John eine Idee. Er ging in sein Zimmer und sah sein altes Adressbuch durch. All diese Nummern und Namen, und kein einziger Freund in dem ganzen Haufen. John fragte sich, warum wohl die Menschen so um den Zeitpunkt, zu dem sie sich ihr erstes teures Möbelstück kaufen, die Fähigkeit verlieren, Freunde zu finden. Es war zwar kein festes Gesetz, aber doch eine ziemlich brauchbare Regel.
Er blätterte in den Seiten voller Nummern und Erinnerungen, Meetings und sexueller Begegnungen, Vertragsabschlüsse und Autowäschen, bei Alitalia und Virgin gebuchter Flüge und Tennismatches mit Verpflegung - all diese Menschen, die John Johnson alles besorgten, was er brauchte, hätten ein kleines Stadion gefüllt.
Er zog seine Arbeitskleidung aus und warf sie auf einen Haufen in der Ecke. Er war es satt, der Bürohengst zu sein. Er stöberte in seinem Schrank herum und fand ein paar alte Klamotten, die Doris nicht weggeworfen hatte - alte, nicht zusammenpassende Hemden und Hosen, die er zum Lackieren der Küchenschubladen und zur Gartenarbeit getragen hatte. In Zukunft würde für ihn jeder Tag ein lässiger Freitag sein. Er wandte sich wieder seinem alten Adressbuch zu. Dort stieß er auf den Namen Jerr-Bear - ein Kinderdarsteller aus der Zeit der Partridge Family, der als Erwachsener ziemlich abgestürzt war, Obdachlosen-Versionen der neuesten Mode aus Mailand trug und verfilzte Haare hatte, die nach Stall rochen. John versuchte vergeblich, sich an Jerr-Bears vollständigen Namen zu erinnern, doch er sah ihn noch genau vor sich als den aufrechten Sohn in einer längst von den Bildschirmen verschwundenen Polizeiserie.
So abstoßend Jerr-Bear auch sein mochte - der Stoff, mit dem er dealte, war vom Feinsten. John schaute in seine Nachttischschublade und fand tausendachthundert Dollar, die von den fünftausend Dollar Vorschuss übrig geblieben waren, die Ivan ihm für den Monat gegeben hatte. Es waren lauter Zwanziger, die in dieser Häufung wirkten, als stammten sie aus unlauteren Geschäften. Er wählte Jerr-Bears Nummer, und überraschenderweise ging dieser ans Telefon. »Jerr-Bear, hier ist John Johnson.«
»Der fröhliche Wandersmann?«
»Ja, genau.« John hörte Kaugeräusche. »Bist du grade beim Essen? Soll ich noch mal anrufen?« Der Gedanke, Jerr-Bear könnte an einem Tisch essen, der sich nicht in einem Restaurant befand, kam John fast zu unglaublich vor, um ihn sich auszumalen.
»Ja, es gibt grade Abendbrot, aber was soll's. Machst du jetzt etwa Telemarketing? Wie kann ich dir helfen, John?«
»Ruf mich zurück.«
»Okay.«
Jerr-Bear unterhielt ein komplexes System von geklonten Handys, damit die Polizei ihn nicht abhören konnte. Eine Minute später klingelte Johns Telefon. Trotzdem benutzten beide einen Geheimcode.
»Jerr, was gibst du jemanden, der große Schmerzen hat?«
»Schmerzen soll man nicht auf die leichte Schulter nehmen John. Das Leben tut weh. Worum geht es genau?«
»Rückenschmerzen.«
»Uuh - dagegen muss man meist schwere Geschütze auffahren. «
»Hast du irgendwelche Geschütze?«
»Ja.«
Sie verabredeten sich am nächsten Tag zum
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