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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Highways und Wolken und Winde und Einkaufszentren ihn reinigen würden. Er hatte sich gewünscht, dass sie ihn von dem Fluch erlösen würden, John Johnson sein zu müssen. Er hatte gehofft, unter einem Panavision-Himmel aufzuwachen und die tiefgründigere, stillere Person zu finden, aus deren Träumen John Johnson überhaupt erstanden war. Aber es gab nichts, was einer von denen, die mit ihm im Flugzeug saßen, sagen oder tun konnte. Sie waren selbst nur ein paar Lichter dort oben am Nachthimmel, und wenn sie zwanzig Meilen weiter hoch fliegen würden, wären sie im Weltraum. Es war ein kurzer Flug, bald hatten sie den Flughafen von Santa Monica erreicht, und sie fuhren in die Stadt. Johns ehemaliges Haus war mitsamt seiner James-Bond-Einrichtung verkauft worden, um die Schulden beim Finanzamt zu bezahlen. Da es ein juristisches Problem wegen seiner Tantiemen gab, hatte er keinen Pfennig Geld. Wie auf einer Zeitreise kehrte John in sein altes Zimmer im Gästehaus zurück. Doris war mittlerweile zu einem lebenden, atmenden mille-feuille aus Ethno-Kaftans und klickernden Perlen geworden. In seinen ersten paar Wochen zu Hause versuchte er den Eindruck zu vermitteln, dass es ihm gut ging, so wie eine besiegte Nation die Kultur der Siegermacht übernimmt. Tag für Tag zog er einen Anzug und eine Krawatte aus einem Sortiment, das Melody für ihn gekauft hatte, an. Er nahm keine Drogen. Wer ihn auf der Straße sah, musste annehmen, es gehe ihm prächtig, aber innerlich fühlte er sich erstarrt und verseucht. Er hatte das Gefühl, als würde er alles, was er anfasste, beschmutzen, als hinterließe er einen schwarzen Fleck, den nicht einmal ein Feuer entfernen konnte. Er glaubte, die Menschen könnten ihm ansehen, wie falsch er war. Seine Haut war sonnenverbrannt, sein Haar war ergraut, und das Sonnenlicht tat seit Neuestem seinen milchblauen Augen weh, die im Spiegel anzuschauen er nicht in der Lage war, als hielten sie unweigerlich schlechte Nachrichten für ihn bereit. Er suchte in den tristeren Vierteln der Stadt nach schattigen Cafeterien, wo nicht die Möglichkeit bestand, alte Bekannte zu treffen. Er entdeckte gelegentlich steinalte Drehbuchautoren aus der DesiLu- und der Screen-Gems-Ära, die wie Walrösser auf einer gepolsterten Bank gestrandet waren und einen Cobb Salad aßen, aber er nahm nie Kontakt zu ihnen auf. John pflegte dazusitzen und die Tageszeitungen zu lesen. Aber sie verströmten die gleiche Sterilität wie die grotesk veralteten Zeitschriften im Wartezimmer beim Zahnarzt. Er wollte nach Hause, aber sobald er dort war, fühlte er sich als ein noch größerer Außenseiter als draußen in der Stadt. Vergeblich versuchte er, sich irgendetwas einfallen zu lassen, das ihm helfen könnte, sich besser zu fühlen.
    Ein paar Monate vergingen, und nichts in seinem Innern schien sich zu verändern. Dann, anfangs ohne es zu merken, stellte er eines Tages fest, dass er einen gewissen Trost darin fand, einem strikten Zeitplan zu folgen. Er kam bald darauf, dass er sich vielleicht gerade so durchmogeln konnte, wenn er darauf achtete, dass seine Tage absolut gleichförmig verliefen. Er erzählte Ivan davon, der John daraufhin mit dem absurden Versprechen, sein Tagesablauf würde »total unüberraschend« sein, zurück in die Produktionsfirma lockte. Sowohl Ivan als auch Nylla, die John beide so gern geholfen hätten, wieder in L.A. Fuß zu fassen, waren mit ihrer Weisheit am Ende. Mega Force war in Johns Abwesenheit fertig geworden und sollte demnächst anlaufen, und es bestand kein Zweifel, dass er ein großer Erfolg würde. Testvorführungen in Glendale und Oxnard riefen Erinnerungen an die alten Zeiten von Bei Air PI wach - doch John bedeutete das gar nichts, es weckte keinen Funken Interesse in ihm.
    Unter den Leuten aus der Branche galt er als Mutant. Inzwischen war man sich einig, dass er tatsächlich kreuz und quer durchs Land gereist war, auf irgendeiner unheilvollen Suche. Das hatte ihm eine magische Aura verliehen, indem es ihn auf eine Komm-mir-nicht-zu-nah-Weise interessant machte. In einem zutiefst abergläubischen Umfeld war John Glücks- und Unglücksbringer zugleich. Wenn jemand Geschäfte machen wollte, ging er zu Ivan. Wenn er ein bisschen Klatsch für das abendliche Tischgespräch brauchte, steckte er den Kopf in Johns Büro.
    Doris gegenüber fühlte sich John als Last. Sie hatte ihre Privatsphäre und die Tatsache, dass sie keine Verantwortung zu tragen hatte, im Laufe der Jahre schätzen gelernt.

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