Miss Wyoming
Mittagessen im Ivy.
Kapitel Sechsundzwanzig
Nach dem Zusammenstoß mit dem anderen Chrysler übernahm Vanessa das Steuer des Wagens, und John setzte sich auf den Rücksitz und stellte Theorien über Randy und seine halb gepackten Koffer auf. »Drogen. Das müssen Drogen sein.«
»Nein, John«, sagte Vanessa. »Auf den Auszügen von Susans Geldkarte und ihrer Visa-Card gibt es nichts, was auf regelmäßige Ausgaben für Drogen schließen ließe.«
»Du hast ihre Bankauszüge?«
»Ich hab ihr Susans Visa-Card-Nummer gegeben«, sagte Ryan. » Sie war im Computer der Videothek. Ich meine, sobald jemand deine Visa-Card-Nummer hat, kann er dich praktisch klonen.«
»Nicht ganz«, sagte Vanessa. »Um dich zu klonen, brauchte man auch deine Telefonnummer.«
»Warum zerbreche ich mir überhaupt den Kopf?«, fragte John. »Ihr zwei seid die größten Drag-and-click-Leute, die mir je begegnet sind. Du hast hier die Hosen an, Vanessa. Warum sagst du mir nicht, was wir als Nächstes tun sollen?«
»Okay, mach ich. Im Moment sind wir auf dem Weg zu einer gewissen Dreama Ng in North Hollywood.«
»Sie ist Numerologin«, sagte Ryan. »Kriegen wir bei der auch Kartoffeln?«
»Sei nicht kindisch«, sagte Vanessa. »Susan zahlt Dreama Ng seit ein paar Jahren zweitausendfünfhundert Dollar im Monat.«
»Ich sag doch, es sind Drogen im Spiel.«
»Deine Naivität macht mich noch krank«, sagte Vanessa und fügte hinzu: »Wo du doch selbst in den letzten sechs Jahren irgendwas zwischen 1,7 und 2 Millionen Dollar sowohl für Drogen als auch für Drogentherapien ausgegeben hast.« »Uff. So viel?«, fragte John.
»Vermutlich mehr. Es gibt noch ein paar Daten aus Genf, an die ich nicht rangekommen bin.« Vanessa fuhr fort, den Wagen mit dem kleinen Finger um eine scharfe Kurve zu lenken. »Du weißt ebenso gut wie jeder andere, John, dass Drogenkonsum immer eskaliert. Er bleibt eben nicht jahrelang Monat für Monat konstant. Ich habe auch Ms. Ngs Finanzen überprüft, und siehe da - was glaubt ihr, an wen sie die zweitausendfünfhundert jeden Monat weiter überweist?«
»Trommelwirbel...«, sagte Ryan. »Randy Hexum.«
»Na, da leck mich doch«, sagte John.
»Nicht ganz so grafisch, wenn ich bitten darf«, sagte Vanessa. »Wie auch immer, wir sind fast da. Ich hab sie schon angerufen und einen Termin vereinbart, uns die Zahlen lesen zu lassen.«
»Und was hast du sonst noch gemacht, wovon ich nichts weiß?«
»Als ihr zwei vor ein paar Minuten die beiden Stoßstangen wieder entwirrt habt, habe ich meinen Bruder Mark angerufen. Er steht jetzt mit seinem Wagen gegenüber von Randy Montarellis Haus, und ihr zahlt ihm fünfundzwanzig Dollar pro Stunde plus Spesen dafür, dass er herauszufinden versucht, wo die Koffer hingebracht werden.«
»Wo warst du eigentlich, als ich The Other Side of Hate gedreht habe?«, fragte John. »Wenn du dabei das Sagen gehabt hättest, wäre es vielleicht ein Hit geworden.«
»Nein, John. Der Film war nicht zu retten.« Vanessa und Ryan steckten sich unsichtbare Pfauenfedern in den Hals. John wurde still. Sie fuhren auf den Hollywood Freeway auf, dann wieder ab und parkten schließlich vor dem Apartmenthaus, in dem Dreama wohnte. John hatte ein Deja-vu, aber dann wurde ihm klar, dass es in Wirklichkeit eine plötzliche Erinnerung an den Anfang seiner Filmkarriere war. Der Geruch im Aufzug bei Dreama war genau der gleiche wie der in den Fluren des Hauses, in dem seine erste Wohnung lag, in einer Seitenstraße der Sweetzer Avenue - eine Mischung aus Katzenpisse, Zigaretten, Räucherstäbchen und dem Essen anderer Leute. Vanessa fragte John: »Was machen wir, wenn wir drin sind, John?«
John zuckte mit den Schultern. »Das wissen wir, wenn es so weit ist. Hoffe ich. Haltet die Augen offen.«
»Hi.« Dreama öffnete die Tür. »Kommt rein. Du bist Vanessa?«
»Genau. Das ist Ryan, und das hier ist John.«
»Es ist furchtbar unaufgeräumt.« Das erste, was ihnen in Dreamas Apartment ins Auge stach, waren offenbar fast fertig gepackte Koffer auf dem Küchentisch.
»Tut mir Leid«, sagte Vanessa, »stören wir? Wolltest du grade verreisen?«
»Ja, aber um ehrlich zu sein, brauche ich das Geld. Ich hoffe, das klingt nicht allzu unverschämt. Ich möchte nicht, dass ihr euch ausgebeutet fühlt.« Sie nahm einen Stapel Traumfänger von einem Hocker.
»Wo willst du denn hin?«, fragte Ryan betont lässig. In Dreamas Augen blitzte kurz ein Schimmer der Unaufrichtigkeit auf.
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