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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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paar Handtücher. Im Wohnzimmer schrie Susan. »Es geht los, Randy!«
    Die nächsten zwanzig Minuten fiel kein einziges Wort. Sie wurden zu zwei grunzenden, schreienden, einander hin und her zerrenden Tieren, und schließlich erblickte ein brüllender, rosafarbener Klumpen von einem kleinen Jungen das Licht der Welt. Susan hielt ihn an ihre Brust, und Randy durchtrennte die Nabelschnur. Alle drei weinten, und bei Sonnenaufgang lagen sie schlafend im völlig verwüsteten Wohnzimmer. Am Morgen rief Randy bei seinem Arbeitgeber an und kündigte. Er war in einige, aber nicht alle Einzelheiten von Susan Colgates Leben vor und nach dem Flugzeugabsturz eingeweiht worden. Bis zum Nachmittag hatte er die Möbel aus dem Wohnzimmer abtransportieren lassen. Er bestellte eine Wagenladung Lebensmittel und Babymöbel. Er leerte seine Bankkonten. Er montierte die Indiana-Kennzeichen von Susans Wagen ab und ersetzte sie durch Fälschungen, die er auf einem Schrottplatz gekauft hatte. Er strotzte vor Energie. Der ganze Trubel ließ ihn aufblühen. Er fühlte sich nicht mehr wie Randy Montarelli. Er fühlte sich wie ... Nun ja, er wusste noch nicht genau, wie er sich fühlte. Das würde noch kommen. Aber innerhalb einer Woche hatte er viele seiner Klamotten, Kleinigkeiten, Fotos und seiner sonstigen Dinge weggworfen, die für ihn nach dem alten Randy stanken - Pullover, die er aus Pflichtgefühl den Verwandten gegenüber trug, weil sie sie ihm Jahr für Jahr ohne Begeisterung schenkten, Duftwässer aus dem Drugstore, die er sich nicht gekauft hatte, weil er ihren Geruch mochte, sondern um fremde Proleten nicht mit übermäßig exotischen Noten zu provozieren; seinen High-School-Ring, den er aufbewahrt hatte, weil er ihm das einzige Schmuckstück zu sein schien, das zu tragen er sich redlich verdient hatte. Außerdem stellte er den Antrag, seinen Nachnamen in Hexum ändern zu lassen, etwas, das er immer schon hatte tun wollen, ohne sich je dazu aufraffen zu können. Randy hatte diese eine phantastische Chance bekommen, sich selbst neu zu erfinden, und die würde er nicht vermasseln. Wenn es nötig wäre, würde er für Susan und den kleinen Eugene töten, und er hoffte, dass Susan ihm schon bald ihre Andeutungen, sie hätte einen Plan, Eerie zu verlassen, näher erläutern würde. Susan verbrachte derweil den Großteil des ersten Monats damit, entweder zu weinen oder sich schweigend abzukapseln. Randy ließ sie in Ruhe. Dass er jemanden anrufen würde, um ihm dieses Wunder von Bethlehem zu verkünden, stand nicht zur Diskussion. Diese Geschichte gehörte ihm allein - spottende Verwandte, bösartige Kollegen und die Plappermäuler von seinem Modelleisenbahnclub ging sie nichts an.
    »Randy«, sagte Susan, »warum machst du dir bloß die Mühe, all diese Baby-Ratgeber zu lesen? Wenn ich ein Kind kriege, wird es hart wie Stahl. Seine Gene sind aus massivem Titan.«
    »Wir wollen doch, dass das Baby ein Gott wird, Susan. Wir wollen, dass es alles überstrahlt. Es muss mit Sorgfalt aufgezogen werden.«
    Die Geburt bei den Behörden zu melden kam nicht in Frage. In Susans Vorstellung sollte Eugene Junior nie etwas mit der Öffentlichkeit zu tun bekommen. Die Welt durfte nichts von ihm erfahren, und er sollte vor ihren neugierigen Blicken und aufdringlichen Fragen geschützt werden. »Besonders«, sagte Susan, wann immer Randy das Thema anschnitt, »vor meiner Mutter.«
    Je mehr Randy Susan und Eugene Junior für sich allein hatte, desto glücklicher war er. Er war der geborene Versorger, und jetzt war er mit Seelen gesegnet, um die er sich kümmern konnte.
    Eines Nachts in Susans vierter Woche in Eerie sahen die drei fern - eine alte Episode von Meet the Blooms. Eugene hing an Susans linker Brust. Der Fernseher war leise gestellt. Auf dem Bildschirm lief eine Folge, in der Mitch, der älteste Sprössling der Familie, für genau eine Folge kokainsüchtig wird. Susan starrte in den Fernseher wie in ein Aquarium, das weder Höhen noch Tiefen zu bieten hatte - nur ein konstantes dumpfes Summen.
    Ein Holzstück im Kamin flammte mit neuer Kraft auf. »Vermisst du Chris eigentlich?«, fragte Randy.
    »Chris? An den denke ich so gut wie nie, die alte Schwuchtel.«
    Randy machte große Augen. »Schwuchtel? Meinst du – kein Sex?«
    »Du liebe Güte, nein. Ich meine, mittlerweile hab ich Chris ganz gern, aber am Anfang stand er mir ungefähr so nah wie, sagen wir, irgendein FedEx-Typ, der einen Umschlag bei der Rezeption abgibt. Aber das liegt jetzt

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