Miss Wyoming
Susan wieder ein eigenes Einkommen hätte, falls das früher der Fall sein sollte, einzustellen. Einen Job zu finden war nicht leicht. Die Casting-Agenten wussten, dass sie keine besonders gute Schauspielerin war, und hielten es für unwahrscheinlich, dass allein ihr prominenter Name ihre Unfähigkeit kompensieren könnte. Im Schauspielunterricht konnte man ihr auch nichts beibringen, und die Tatsache, dass sie überhaupt welchen nahm, machte sie zur Zielscheibe geflüsterter abfälliger Bemerkungen seitens ihrer Mitschüler. Auch Larry schien ihr viel weniger Aufmerksamkeit zu schenken, nicht weil sie ihm nichts mehr einbrachte, sondern weil er wusste, das Jenna die Wurzel des Problems war.
Am Ende der letzten Blooms-Staffel hörte Susan zufällig Kenny, den Regisseur, sagen, wenn jemand Susan je eine Rolle geben würde, und sei es nur als Baum im Bildhintergrund einer High-School-Aufführung von Bye-Bye Birdie, dann nur aus Mitleid. Die Aufzeichnung der zweistündigen Abschlussfolge wurde für Susan zu einem immer wiederkehrenden Alptraum. »Susan, Liebes, du hast gerade erfahren, dass dein Vater Prostatakrebs hat. Du machst aber ein Gesicht, als müsstest du dich zwischen normal gebratenem und extra knusprigem Huhn entscheiden. Lass uns mal einen Zahn zulegen, sonst steht gleich die Gewerkschaft bei uns auf der Matte, okay?« Die Kameras liefen: »Dad, warum hast du mir das nicht früher gesagt? Wieso wusste ich als Einzige nicht Bescheid?«
»Schnitt! Susan, du willst nicht von ihm wissen, wo die Fernsehzeitung ist. Du fragst ihn, wieso er dich nicht in das gravierendste Geheimnis seines Lebens eingeweiht hat.« Die Kameras liefen: »Dad, warum hast du mir das nicht früher gesagt? Wieso wusste ich als Einzige nicht Bescheid?«
»Schnitt!«
Susan hielt erneut inne.
»Susan, weniger Fernsehzeitung und mehr Krebs.«
»Kenny, kann ich vielleicht Kunsttränen haben oder so was?
Dieser Satz ist echt schwer.«
»Nein, du kriegst keine Kunsttränen, und nein, der Satz ist nicht schwer. Roger? Gib mir mein Handy.« Ein gelangweilter Produktionsassistent reichte ihm ein Telefon. »Susan, hier ist ein Telefon - soll ich dir eine Nummer geben, damit du den Satz einfach durchtelefonieren kannst? Oder möchtest du ihn lieber in die Kamera sprechen, wofür du schließlich bezahlt wirst?«
»Sei nicht so ein Arschloch, Kenny.«
Die Kameras liefen: »Dad, warum hast du mir das nicht früher gesagt? Wieso wusste ich als Einzige nicht Bescheid?«
»Schnitt! Roger? Bring Miss American Robot hier bitte ein paar Kunsttränen.«
Bald begann Susan Nacht für Nacht auf Partys zu gehen, nicht weil sie so gerne feierte, sondern weil ihr Prominentenstatus sie zu so viel Gratisdrogen berechtigte, wie sie haben wollte, solange sie es über sich ergehen ließ, dass ihre Stofflieferanten ihr entweder in den Arsch krochen oder sich über sie lustig machten.
- Kaum zu glauben, dass Susan Colgate hier ist.
- Für ein Gramm würde die doch sonst wohin fahren. Für zehn macht sie sogar das Tony, das dich hinträgt.
Im Lauf der Zeit lernte sie, sich nicht vor die Küche zu stellen, wo die Akustik besser war und sie eher Gefahr lief, die größten Gemeinheiten über ihre Person mit anhören zu müssen. Sie hatte viel zu viel freie Zeit zu ihrer Verfügung, in der ihre Gedanken um nichts als das Thema Larry kreisten. Eines frühen Abends, als Susan sich besonders allein fühlte und das Telefon den ganzen Tag nicht geklingelt hatte, entschied sie, dass sie es satt hatte, von ihm auf Distanz gehalten zu werden, und fuhr zu ihm. Larry hatte erwähnt, dass Jenna an jenem Abend zum Geburtstag ihrer Mutter nach Carson City fahren würde. Susan wusste, dass er sie, wenn sie die Gegensprechanlage am Tor benutzen oder die Haustür öffnen würde, kalt ignorieren würde. Sie kürzte durch den Garten des Nachbarhauses ab, in dem einst eine preisgekrönte Kaiserin-Keiko-Persimone gestanden hatte, und näherte sich dem Haus von der rückwärtigen Terrasse.
Als sie gerade den Nachbargarten durchquerte, flammten die Lichter des Hauses auf wie im Stalag 17. Fünf Dobermänner, denen Speichel wie geschlagenes Eiweiß von den Reißzähnen troff, bildeten um sie herum ein Pentagramm, und mindestens ein Dutzend Iraner mit Marlboro-Mann-Schnauzbärten stellten sich mit gezogenen Waffen im Kreis um die Hunde auf.
Nebenan sah sie Larry in seinem postkoitalen Seiden-Morgenmantel, den er während der Vertragsverhandlungen für den
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