Missbraucht
schaltete eine Stufe höher. "DEFCON 3" und damit erhöhte Einsatzbereitschaft war angesagt.
Jeder, der im Raum Anwesenden bemerkte, wie unangenehm Herrn Direktor Mertes die Umstände waren, als Oberstaatsanwalt Koepp ihm das Wort abschnitt und kurzerhand selbst die Leitung der Zusammenkunft übernahm. Er gehörte zu der Sorte von Beamten, gegen die Richard von je her eine große Antipathie hegte. Koepp war ein großer, schlanker Mann mit akkurat geschnittenem, grauen Haar, das ihn älter wirken ließ, als er tatsächlich war und die moderne, mit einem schwarzen Metallrahmen ausgestattete Brille gab ihm jenen Hauch Intellekt, den Menschen, die gerne die Öffentlichkeit suchen, so sehr lieben. Er trug einen hellblauen Anzug und ein weißes Hemd. Auf eine Krawatte hatte er, wie seine beiden Begleiter übrigens auch, wegen der Hitze verzichtet. Es tat seiner natürlich wirkenden Autorität allerdings keinen Abbruch. Lässig, die linke Hand in die Hosentasche gesteckt, lehnte er an der Wand und flüsterte Herrn Göttert, der einen ganzen Kopf kleiner war, irgendetwas zu. Göttert schien die Information ebenso leise, hinter vorgehaltener Hand an seinen Parteikollegen, der auf einem der beiden Besucherstühle vor ihm saß weiterzugeben. Richard hatte das Gefühl, das er der Grund des kurzen und leisen Gedankenaustauschs war, denn die Politiker musterten ihn genau in diesem Moment auffällig abschätzend. Ein unbehagliches Gefühl beschlich den Kommissar. Er mochte solche geleckten und gelackten Karrieretypen wie den Oberstaatsanwalt nicht. Jeder im Raum wusste darüber Bescheid, ausgenommen die beiden Politiker, die Richard nichtsdestotrotz in die gleiche Kategorie einordnete und Frau Heuss. Sie hatte sich schon umgezogen und hob sich mit ihrem bunt gemusterten Kostüm und der durchaus sexy wirkenden weißen Bluse wohltuend von ihren Begleitern ab. Der Oberstaatsanwalt und Richard Mees kannten sich über Jahre. Immer wieder hatten sie zusammengearbeitet und immer wieder war es für beide Seiten ein nicht sehr angenehmes Zusammenarbeiten, das beseelt wurde von Zwistigkeiten und Nickeligkeiten. Ihre Sympathie füreinander war in einem sehr grenzwertigen Bereich angesiedelt. Dass Herr Koepp in diesem speziellen Fall allerdings mehr oder weniger selbst in den Fall involviert war, oder besser ausgedrückt, ein ureigenes Interesse an einer schnellstmöglichen, für die Partei der FSU positiven Klärung hatte, gab der Angelegenheit eine ganz besondere Note.
Die beiden Herren, die den Oberstaatsanwalt begleiteten, erfüllten alle herkömmlichen Klischees von Politikern. Herr Göttert strahlte eine Arroganz aus, die im ganzen Raum spürbar war. Er war höchstens 1,70 m groß, hatte schwarzes, nach hinten gekämmtes Haar. Man hatte immer das Gefühl, dass er die Augen ein Stückchen zusammengekniffen hätte, so schmal waren sie. Die Falten auf seiner Stirn verstärkten den Eindruck. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte übertrieben lässig neben Koepp an der Wand. Bekleidet war er mit einer schwarzen Hose, einem weißen Hemd und teuer aussehenden Schuhen. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die durch ihre bloße Anwesenheit den Übrigen zeigte, dass er eine exponierte Stellung für sich beanspruchte. In diesem Punkt übertraf er sogar noch den Oberstaatsanwalt, weil Göttert noch einen Tick abgebrühter und gefährlicher wirkte. Außerdem war auffällig, wie untertänig und schmierig sich Koepp bei ihm anbiederte.
Sein Parteikollege Jung war nur unwesentlich größer als Göttert, dafür wirkte er gesetzter und mit dem schlohweißen Haar seriöser. Jung hatte dieses typische Politiker Dauergrinsen scheinbar schon mit der Babynahrung in sich aufgenommen, das machte ihn in Richards Augen noch unsympathischer. Er trug eine Brille mit Goldrand und an seinem dicken Hals, hing eng anliegend eine goldene Kette, wie man wegen des offenen Hemdkragens gut sehen konnte. Das weiße Hemd schien Standard in der FSU, dazu trug er eine mittelbraune Hose und die dazu passenden braunen Sommerschuhe. Beide Politiker sind wohl verheiratet, dachte sich Richard, als er an ihren rechten Händen jeweils einen goldenen Ring entdeckte.
Oberstaatsanwalt Koepp ging forsch an die Sache heran:
"So meine Damen und Herren, dieses Treffen dient dazu, die Vorgehensweise im Fall des verschwundenen Frank Baumels abzustimmen. Staatsanwältin Heuss und der Herr Polizeidirektor haben mich über den Fortgang und die neusten Entwicklungen in Kenntnis
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