Missbraucht
war es Mathae, der den unaufgeregtesten Eindruck machte, wohin gegen Uwe Stromberg die Nervosität aus allen Poren zu strömen schien. Wahrscheinlich lag es daran, dass Mathae mit seinen jungen Jahren schon soviel erlebt hatte, dass die Angst zu einer Selbstverständlichkeit wurde. Die Anderen, mit Ausnahme von Nicoletta vielleicht, konnten sich gar nicht vorstellen, welch schreckliche, widerliche und teils perverse Abartigkeiten in ein solch junges Leben passen. Rumänien war Ende der Achtziger ein Ort menschlicher Abgründe.
Dr. Heb hatte den Eindruck, dass die Hitze immer unerträglicher wurde.
"Habt ihr was zu trinken?", keuchte er mehr, als das er es sagte.
"Ja, ich kann Wasser und Cola anbieten. Alles kalt!", antwortete Uwe und zeigte auf den alten Kühlschrank, der noch aus dem Besitz seines Vorgängers stammte und den Uwe mit dessen vorausgesetztem Einverständnis mehr oder weniger requiriert hatte.
"Gib mir ein Wasser!"
"Ich will lieber eine Cola, aber eiskalt bitte." Nicoletta hatte sich vorgenommen, die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ihr alter Freund und Vorgesetzter Ilia hatte sie immer belehrt, dass es irgendwann an der Zeit sei, Zweifel hinter sich zu lassen und einfach die Initiative zu ergreifen.
"Möchtest du auch was trinken Mathae? Es ist doch furchtbar heiß", wandte sie sich an den Jungen.
Mathae schüttelte verschüchtert den Kopf und sagte nichts. Nicoletta schaute ihn kurz enttäuscht und überrascht über die Antwort an und drehte dann ihren Kopf wie um Unterstützung suchend in Richtung des Doktors. Friedhelm Heb verstand sofort.
"Trink etwas Mathae, es wir dir gut tun bei der Hitze." Hebs Tonfall hätte freundlicher und mitfühlender nicht sein können und doch kam er bei dem Jungen befehlsmäßig an.
"Was denn nun Mathae?", fragte Nicoletta erneut ungeduldig nach.
Schüchtern antwortete Mathae: "Eine Cola“.
Zufrieden sah Nicoletta den Doktor an, der ihr wie als Bestätigung zunickte.
"Ich mach dir eine schöne kalte Cola", sagte sie, jetzt wieder dem Jungen zu gewandt.
Uwe Stromberg ging das alles viel zu schnell, als dass er nachvollziehen konnte, dass seine Freundin gerade dabei war, Mathae in den Vorhof zur Hölle einzuladen.
"Lass mich machen Uwe", Nicoletta schob ihren Geliebten wirsch beiseite und holte eine Flasche Coke aus dem Kühlschrank. Sie stand mit dem Rücken zu Mathae, sodass er nicht sehen konnte, was Nicoletta machte. Sie nahm sich eins der großen Gläser, wischte es durch und schüttete es fast voll mit Cola. Dazu gab sie eine beträchtliche Menge Batipurol, einem sehr starken, fast geschmacksneutralem, von Ärzten wegen der heftigen Wirkung nur ungern verschriebenem Schlafmittel. Die Menge, mit der sie das Glas auffüllte, hätte für einen Erwachsenen bei regelgerechter Anwendung bestimmt einen Monat gereicht. Für sich schüttete sie ebenfalls ein Glas aus und für den Doktor gab es ein Glas Wasser. Nur Uwe wurde nicht von ihr bedient, was ein Zeichen dafür war, dass sie mit ihrem Freund abgeschlossen hatte. Mit aller Konsequenz. Sie reichte dem Jungen das Glas und prostete ihm lächelnd zu. Beide nahmen einen kräftigen Schluck.
"Komm, stoß mit mir auch an", gequält lächelte der Doktor Mathae zu und hob sein Glas. Wieder nahm er einen großen Schluck. Zufrieden und abwartend lehnte sich Nicoletta gegen die Werkbank und beobachtete was passieren würde. Es durfte nicht allzu lang dauern, dann war der Junge weggetreten, dessen war sie sich sicher. Die Blicke der Erwachsenen waren spannungsvoll auf Mathae gerichtet und man sah ihnen förmlich an, wie jeder gedanklich die Sekunden abzählte, bis die Wirkung des Schlafmittels eintreten würde.
"Komm her und setze dich hierhin", Dr. Heb rückte einen der Stühle zurecht und bot ihn Mathae an. Auf dessen hübschem Gesicht war fast so etwas wie ein Lächeln zu erkennen, und als er auf den Stuhl zu ging, sah es aus, als schwanke er leicht. Es würde nicht mehr lange dauern und Mathae war im Schlaf. Prompt fing er an zu gähnen und es war offensichtlich, dass das Batipurol anfing zu wirken.
"Bist du müde?", fragte Nicoletta.
Mathae antwortete schon nicht mehr, er nickte nur leicht mit dem Kopf und rieb sich abwechselnd die Augen und sein schönes, schwarzes Haar. Diesen Kampf konnte er nicht gewinnen. Der kleine Bursche versuchte krampfhaft gegen diese plötzliche, wie aus heiterem Himmel kommende, Müdigkeit anzukämpfen. Vergeblich! Augenblicke später war er der Welt
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