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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Berk
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eigentlich weiter in der Sache?"
    "Keine Sorge, Sie haben uns ein großes Stück weiter geholfen, und wenn Ihnen noch was einfällt, rufen Sie an. Hier ist meine Karte".Richards bestimmender Ton machte Dr. Heb ein klein wenig nervös.
    Warum sollte er Ihnen ein großes Stück weiter geholfen haben? Was meinte der Kommissar damit? Diese Fragen gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.
    Natürlich hatte er damit gerechnet, dass er befragt werden würde und er hatte unzählige Male seine Aussage daheim durchgespielt. Genauso hatte er Uwe Stromberg und Nicoletta Tschetschowa instruiert. Aber jetzt hatte sich die Situation verändert, sie hatten es nicht mehr mit der örtlichen Polizei zu tun, sondern mit den Beamten aus Koblenz. Das waren größere Kaliber, die mehr Erfahrung mit solchen Fällen hatten und über andere Möglichkeiten verfügten. Sie mussten verdammt auf der Hut sein, damit die Sache nicht außer Kontrolle geraten würde. Dieser Kommissar machte Friedhelm Heb ernsthafte Sorgen. Wenn Kommissar Mees Uwe verhören würde, könnte es brenzlig werden. Um Nicoletta machte er sich weniger Gedanken, sie war ein raffiniertes kleines Miststück, an ihr würde sich die Polizei die Zähne ausbeißen, aber bei Uwe war er sich überhaupt nicht sicher. Obwohl der Gedanke daran, ihn aus dem Weg zu schaffen, gegen all seine moralischen und humanitären Grundsätze verstieß, bekam er diese Option nicht mehr aus seinem Kopf. Seit Stromberg und dieses Flittchen seinen Freund erschlagen hatten und ihn in dieses mörderische Spiel hinein gezogen hatten, spielte er täglich alle möglichen Alternativen durch. Er musste vorbereitet sein, um ungeschoren aus der Angelegenheit heraus zu kommen. Die Sache mit dem Unfall wollte er sich dringend noch mal durch den Kopf gehen lassen, dachte Dr. Friedhelm Heb, schließlich stand einiges auf dem Spiel. Der Doktor rief unverzüglich Uwe Stromberg an und forderte ihn auf sofort zu ihm zu kommen.

    *

26.02.1987
    Mathae hatte Nadia inzwischen vom Boden aufgehoben und hielt sie in seinen dünnen Armen. Wie lange sie schon bei dem immer kühler und unfreundlicher werdenden Wetter auf der Mauer zugebracht hatten, vermochte niemand zu sagen. Ein Fabrikarbeiter hatte sich ihrer angenommen und sie auf die Polizeistation gebracht. Die Beamten waren alles andere als erfreut und setzten ausnahmsweise einmal Himmel und Hölle in Bewegung, um den Fund so schnell wie möglich wieder los zu werden. Allein gelassene Kinder zählten im Rumänien des Jahres 1987 nicht besonders viel. Einer der Männer aus der Station recherchierte auf dem Platz, was sich allerdings, wie zu erwarten war, als reiner Aktionismus herausstellte. Nachdem sie feststellten, dass ihre Bemühungen sie nicht weiter brachten, lieferten die Polizisten die Kinder bei dem orthodoxen Priester des Städtchens ab. Mithilfe seiner Wirtschafterin, die hin und wieder in seinem Haushalt tätig war, versorgte der Kirchenmann die beiden erst einmal mit dem Nötigsten. Den Kindern wurden die klammen Kleider ausgezogen. Sie wurden gewaschen und dann hüllte man sie in warme Decken. Die Frau opferte für Nadia eine Windel aus ihrem Bestand. Für die Kinder kochte sie einen heißen Brei aus Kartoffeln und Milch. Nachdem Nadia und Mathae gegessen hatten, schliefen sie neben dem warmen Ofen ein. Natürlich verstand der Priester, was es mit den Namen, die auf den Holztäfelchen eingeritzt waren, auf sich hatte, aber so sehr er sich auch bemühte, von Mathae war nichts Weiteres zu erfahren. Wahrscheinlich kannte der Junge seinen Nachnamen und den Ort, aus dem sie stammten nicht.
    Wenigstens zeigte er mit seiner Hand vier Finger auf die Frage nach seinem Alter. Doch darüber hinaus war keine weitere Information aus ihm heraus zu bekommen.
    Es war nichts Ungewöhnliches in Rumänien, dass Kinder ausgesetzt oder sofort nach der Geburt in ein Heim gebracht wurden. Die wirtschaftliche Schieflage des Landes und die vom Regime befohlene Bevölkerungspolitik machte es vielen Familien unmöglich ihren Nachwuchs zu ernähren. Der Irrglaube, dass ihre Kinder in den Heimen des Landes besser aufgehoben und anständig versorgt seien, bestärkte viele Mütter in dem Beschluss, ihre Söhne und Töchter wegzugeben.
    Die kleine Nadia und Mathae blieben vier Tage lang unter der Obhut des Priesters, dann hatte er eine Unterkunft für sie gefunden. Sie kamen in ein Kinderheim in Cesereau, ein kleines Örtchen, etwas abseits gelegen, nahe der bulgarischen Grenze. Das zweistöckige

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