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Missgeburt

Missgeburt

Titel: Missgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William C. Gordon
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im Mission District unterwegs. Die meisten Abnehmer auf seiner Liste waren entweder Restaurants oder katholische Schulen, in denen die Schüler ein Mittagessen bekamen. Die letzte Adresse war eine Kirche, in
der die Gläubigen nach dem Abendgottesdienst eine kostenlose Mahlzeit erhielten.
    Sie hatte jedoch nichts mit einer Kirche im üblichen Sinne gemein, sondern war in einem Ladengeschäft untergebracht, dessen Schaufenster mit schwarzen Tüchern verhängt waren. Über dem Eingang hing ein zwei Meter breites weißes Schild, auf dem in schwarz umrandeten roten Buchstaben zu lesen war: Universalkirche der seelischen Entfaltung. Darunter war etwas auf Spanisch geschrieben, was Samuel jedoch nicht verstand. Außerdem klebte neben dem Eingang ein kleines Schild mit der Aufschrift »Lieferungen bitte hinten abgeben«.
    Samuel ging auf die Rückseite des Gebäudes, wo eine Tür in eine kleine Küche führte, in der fünf Personen beschäftigt waren. Ein rundlicher Latino mit dichtem schwarzem Haar kam auf ihn zu. »Nadie habla inglés aqui señor. Sie quieres hablar con el pastor regrese a las cinco y media.«
    Außer »cinco«, das, wie er wusste, fünf bedeutete, verstand Samuel kein Wort von dem, was der Mann sagte. Aber fünf war die Zahl der Personen, die in der Küche arbeiteten. Er hielt fünf Finger hoch und sagte: »Cinco?«
    »Sí, señor, esta tarde a las cinco y media.«
    »Heute Nachmittag um fünf?«
    »No. A las cinco y media.«
    »Alles klar, gracias !«
    Samuel war nicht danach, weiter Klinken zu putzen. Deshalb fuhr er mit dem Bus zu seinem Büro in der Redaktion und rief von dort aus Vanessa Galo in der Kanzlei seines Freundes Janak Marachak an.
    »Hallo, Samuel, lange nichts mehr von dir gehört.«
    »Stimmt. Ich habe sozusagen Winterschlaf gehalten. Aber jetzt habe ich gerade mal wieder ein Problem, mit dem ich dich gern belästigen würde. Ich interessiere mich für eine Kirche im Mission District, aber die Leute dort sprechen nur Spanisch. Deshalb meine Frage: Könntest du mich vielleicht mal dorthin
begleiten und für mich dolmetschen? Ich würde gern mit dem Küchenpersonal und dem Geistlichen sprechen.«
    »Was ist das für eine Kirche?«, fragte Vanessa.
    »Sie befindet sich in einem Laden in der Mission Street und nennt sich Universalkirche der seelischen Entfaltung.«
    »Lass mich mal kurz in meinem Terminkalender nachsehen.«
    Vanessa legte den Hörer beiseite, blätterte kurz in ihrem Kalender und kam wieder ans Telefon zurück. »Da komme ich sogar gern mit. Würde mich nämlich interessieren, was dort mittlerweile so läuft.« Damit stand sie auf und ging um den Schreibtisch herum, um ein Blatt Papier aufzuheben, das der Wind fortgeweht hatte, als sie den Anruf entgegengenommen hatte. »Wieso interessierst du dich für diese Kirche, Samuel? Du bist doch nicht religiös. Ich weiß noch gut, dass du deine liebe Mühe damit hattest, den Predigten zu folgen, die mein Vater letztes Jahr in Stockton hielt.«
    »An die Predigten deines Vaters kann ich mich, ehrlich gestanden, tatsächlich nicht mehr besonders gut erinnern. Umso besser ist mir dagegen in Erinnerung geblieben, dass Lieutenant Bernardi den Blick kaum mehr von dir losreißen konnte. Im aktuellen Fall geht es allerdings nicht unbedingt um Religion. Ich versuche lediglich herauszufinden, ob ein ganz bestimmter Sack Bohnen aus dieser Kirche kommt.«
    »Wie bitte?«
    »Hört sich vielleicht komplizierter an, als es ist. Aber das erkläre ich dir alles, wenn wir uns sehen. Könntest du dich heute Abend nach der Arbeit mit mir vor der Kirche treffen?«
    Vanessa versprach ihm, nach Feierabend so schnell wie möglich hinzukommen.
    Als sie schließlich vor der Kirche eintraf, ging Samuel bereits ungeduldig auf dem Gehsteig auf und ab. Die schwarzen Vorhänge waren inzwischen offen, sodass man nach drinnen sehen konnte. Links und rechts von einem Mittelgang, der vom Eingang zu einem Podest an der Rückseite des Saals führte, waren mehrere
    Reihen Klappstühle aufgestellt. Direkt über dem Rednerpult in der Mitte des Podiums waren mehrere Scheinwerfer angebracht, die dem Raum zusammen mit den gerafften schwarzen Vorhängen auf beiden Seiten des Podests eher den Charakter eines Theatersaals verliehen.
    Vanessa begrüßte Samuel mit einer herzlichen Umarmung.
    »Und was wollen wir hier nun genau?«, fragte sie.
    »Laut Rosa María Rodríguez ist die Kirche einer der Abnehmer, die der Mi Rancho Market mit Pintobohnen beliefert hat.«
    »Ich kenne

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