Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Missgeburt

Missgeburt

Titel: Missgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William C. Gordon
Vom Netzwerk:
der Frau
nicht noch mehr Angst zu machen, erwähnte er ganz bewusst nicht, dass Letzterer vom Morddezernat des San Francisco Police Department war.
    Sobald alle das Haus betreten hatten, rief Señora Obregon nach ihrem Mann. Daraufhin spähte zuerst ein etwa zehnjähriger Junge durch den Vorhang, der das Wohnzimmer vom Rest des Hauses abtrennte. Dann kam ein etwas älteres Mädchen dahinter hervor und schob den Jungen zur Seite. Dem Mädchen folgte schließlich ein schmächtiger Mann mit Tränensäcken unter den Augen und einem traurigen Gesicht. Er starrte beharrlich auf den Boden und vermied jeden Blickkontakt mit den Besuchern. Señora Obregon stellte die drei stockend als ihren Mann Carlos, ihre Tochter und ihren Sohn vor und erklärte, dass Saras Verschwinden ihrem Mann sehr zu Herzen gegangen sei, da Sara, ihre Älteste, seine Lieblingstochter gewesen sei. So sehr sogar, fügte die Frau hinzu, dass er nicht mehr arbeiten gehen konnte, seit er vor einem halben Jahr von ihrem Verschwinden erfahren habe.
    Bernardi ließ den Obregons durch den Dolmetscher mitteilen, dass er ermächtigt sei, ihnen zu Saras Verschwinden Fragen zu stellen. Als er um ein Foto der vermissten Tochter bat, zeigte die Mutter auf ein gerahmtes Bild auf dem Kaminsims. Die junge Frau darauf sah erstaunlich gut aus. »Sie war so schön, meine Sara! Als ich so alt war wie sie, habe ich genauso ausgesehen. Aber schauen Sie mich jetzt an!« Die Frau strich mit beiden Händen resigniert über ihre Schürze. »Das Foto wurde bei ihrem Schulabschluss an der Mission High gemacht. Sie war die Erste aus unseren zwei Familien, die eine abgeschlossene Schulausbildung hat. Wir hatten so große Hoffnungen in sie gesetzt.« Dank Bernardis freundlicher und zurückhaltender Art begann die Frau allmählich aufzutauen.
    »Es tut mir außerordentlich leid, Ihnen all diese Fragen stellen zu müssen, Señora«, erklärte Bernardi. »Aber wie alt ist Ihre Tochter?«

    »Neunzehn.«
    »Hat sie gearbeitet?«
    »Nein, sie ging aufs City College. Sie war sehr gut in der Schule und hatte große Zukunftspläne. Doch dann lernte sie Octavio kennen und ging immer häufiger in diese seltsame Kirche.«
    »Dazu kommen wir gleich«, bremste Bernardi ihren Redefluss. »Sie mochten Octavio nicht besonders, habe ich das eben richtig herausgehört?«
    »Zuerst mochte ich ihn schon, aber dann fingen sie an, regelmäßig in diese Kirche in der Mission Street zu gehen. Und von da an hatten sie auf einmal ständig Streit.«
    »Hat Sara Ihnen erzählt, worüber sie sich gestritten haben?« »Es hatte etwas mit der Kirche zu tun, aber mehr wollte mir Sara nicht erzählen.«
    An dieser Stelle meldete sich die jüngere Tochter der Obregons zu Wort: »Ich weiß, dass Octavio furchtbar eifersüchtig war; aber warum, wollte er mir nicht sagen.«
    Samuel machte sich zwar eifrig Notizen, aber um zu vermeiden, dass sein Name im Protokoll auftauchte, meldete er sich bei der Vernehmung bewusst nicht zu Wort. Jetzt beugte er sich allerdings vor und flüsterte Bernardi etwas ins Ohr.
    »Ist Octavio ihr gegenüber gewalttätig geworden?«, fragte der Lieutenant daraufhin.
    Alle schüttelten den Kopf. »Das hätte er mal versuchen sollen«, platzte die kleine Schwester heraus, die wenig Ähnlichkeit mit Sara hatte. »Sie hätte ihn auf der Stelle k.o. geschlagen, und außerdem hätte sie es mir bestimmt erzählt!«
    »Hat sie mal eine Dominique aus der Kirche erwähnt?«
    »Ja«, antwortete die Schwester. »Von dieser Frau hat sie ab und zu erzählt, und sie war auch öfter bei ihr.«
    »Weswegen?«, fragte Bernardi.
    »Dominique ist eine curandera , eine Heilerin. Sie hat ihr eine Medizin gegeben, weil Sara krank wurde und sich ständig übergeben musste.«

    »Was hatte sie Ihrer Meinung nach?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich war froh, dass sie zu dieser Heilerin ging.«
    An dieser Stelle flüsterte Samuel dem Polizisten wieder etwas ins Ohr, aber der schüttelte nur den Kopf.
    »Haben Sie von dieser Medizin noch etwas hier?«, fragte Bernardi darauf die Eltern.
    »Da müsste ich mal in ihrem Zimmer nachsehen«, sagte die Mutter, an den Dolmetscher gewandt.
    »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mitkomme?«, fragte Bernardi.
    »Nein, ganz und gar nicht. Kommen Sie nur.« Die Mutter war inzwischen längst Bernardis Charme erlegen. »Sie teilt sich das Zimmer mit ihrer Schwester.«
    Mrs. Obregon führte die Gruppe hinter den Vorhang und einen Flur hinunter. Der Holzboden war dunkelbraun gestrichen,

Weitere Kostenlose Bücher