Missgeburt
völlig veränderte Verhalten der Domina nicht erklären. Sie wirkte mit einem Mal vollkommen normal und war geradezu nett zu ihm.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich weiß, wer du bist. Andernfalls hättest du erst gar keinen Termin bei mir bekommen. Tagsüber arbeitest du für die Cops, und nach Dienstschluss versuchst du, Mitglieder für deine Kirche zu gewinnen – wenn du nicht gerade irgendwo am Rumhuren bist. Im Moment verdiene ich mein Geld zwar damit, Männer zu schlagen und zu demütigen, aber meine wahre Bestimmung ist es, mit meinen geistheilerischen Fähigkeiten Kranken und Leidenden zu helfen.«
»Mich erinnert das alles ein bisschen an die Curanderos. Du kennst sie doch sicher auch, diese Buden der mexikanischen Heiler, in die mich meine Mutter als Kind immer geschleppt hat. Es war immer das Gleiche. Wenn einer dieser Scharlatane seinen Hokuspokus veranstaltet hatte, versicherte er meiner Mutter, dass ich jetzt bestimmt zu wachsen anfinge. Was es genützt hat, sieht man ja!«, sagte Schwartz bitter lachend.
»War deine Mutter auch kleinwüchsig?«
»Wie wäre ich wohl sonst so geworden?« Es war ihm sichtlich peinlich, über dieses Thema zu sprechen.
»Bist du Mexikaner?«
»Zur Hälfte. Mütterlicherseits.«
»Bist du in Mexiko aufgewachsen?«
»Meine Mutter stammte von dort und hat in Juarez gearbeitet. «
»Was hat sie beruflich gemacht?«
»Sie war im Dienstleistungsgewerbe.«
»Ah, verstehe«, sagte Dominique. »Ich habe davon gehört, dass es in Juarez ein Bordell gab, in dem zweihundert zwergwüchsige Frauen gearbeitet haben.«
»Darüber möchte ich jetzt lieber nicht sprechen«, entgegnete Schwartz spröde. »Und du? Bist du so eine Art Hexe?«
»Belassen wir es einfach dabei, dass ich mich mit okkulten Dingen beschäftige. Dafür habe ich eine spezielle Gabe. Mein Lehrer war William L. Gordon, der Doctor of Divinity, ihm habe ich sehr viel zu verdanken. Vielleicht hast du schon von ihm gehört. Er hat Der unendliche Plan geschrieben.«
»Sagt mir leider gar nichts.«
Darauf stand die Domina auf, ging zu einem der Bücherregale und kehrte mit einem schmalen Bändchen zurück. Währenddessen war die weiße Perserkatze, die bisher in ihrem Korb in der Ecke gelegen hatte, aufgestanden und schlängelte sich schnurrend um ihre Beine. Dominique streichelte ihr den Rücken und reichte Schwartz das Buch.
Der blätterte kurz darin und las folgende Passage:
Alles hat sein System; der Kosmos funktioniert nur deshalb so reibungslos, weil er ein System hat; ohne System sind keine harmonischen Abläufe möglich. Alles, was auf irgendeine Weise etwas anderes hervorbringt, tritt in eine harmonische Verbindung damit ein und wird Teil seines Systems. Auch der Mensch besitzt ein System. Der Kern seines Systems ist er selbst, und der Rest seines Systems besteht aus seinen Besitztümern, seinen Freunden und Bekannten und aus allen Dingen, die er als zu ihm gehörig betrachtet und über die er verfügen kann. Er bindet diesen Teil seines Systems mit Hilfe eines Strahls an sich, den sein physischer Körper hervorbringt und den wir im Folgenden den »besitzergreifenden Strahl« nennen werden. Hervorgebracht wird dieser besitzergreifende Strahl vom physischen Körper, um dann mittels geistiger Konzentration auf ein von ihm begehrtes oder bereits in seinem Besitz befindliches Objekt gerichtet zu werden. Je länger diese Konzentration anhält, desto mehr Energie muss dafür aufgewendet werden und umso größer ist folglich auch der Energieaufwand, den das begehrte oder bereits in Besitz genommene Objekt erfordert.
Schwartz gab Dominique das Buch zurück. »Mal sehen, ob ich mir diese Einsicht zunutze machen kann. Was genau hast du für diesen Doctor of Divinity gemacht?«
»Nachdem ich lange Zeit bei ihm gelernt habe, wurde ich schließlich seine Assistentin. Und zum Schluss war ich ein Jahr lang seine Partnerin und habe mit ihm und seiner Familie den Südwesten bereist, um seine Vorstellungen von Spiritualität zu verbreiten. Leider starb er schon 1943, und ich verlor mit ihm meinen spirituellen Führer und Ratgeber. Danach musste ich lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.«
»Warum erzählst du mir das alles?«, fragte Schwartz.
»Weil ich mal in deiner Kirche war und gesehen habe, wie du vergeblich versucht hast, diese armen Teufel dazu zu bringen, ihr beizutreten.«
»Du hast mich predigen gehört?«, fragte der Zwerg erstaunt.
»Natürlich, und ich kann dir nur sagen, dass du die Sache
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