Missing in Action
die sind wir nichts als ein Risiko.«
»Glaubst du das wirklich, Boss?«
John drehte sich vom Tisch weg und begann, eine Runde im Besprechungszimmer zu drehen. Er lief um den Tisch herum, die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
»Wer immer unsere Gegner sind, die sind auf einem Planeten, der nach gültigem Recht Stellar Exploration zur Befriedung, zur Besiedlung und zur Vermarktung gehört. Wir haben das Recht auf unserer Seite.« John gestattete sich ein Lächeln. »Und Dreck an den Fingern,
aber egal. Wenn wir einfach verschwinden, wird es Monate dauern, bis SE einen neuen Versuch startet. Je nachdem, was mit Farspace Horizon passiert ist, vielleicht noch länger. Momentan sind wir einfach MIA – Missing in Action. Und die werden dafür sorgen wollen, dass es so bleibt.«
Er hatte seine Runde beendet und beugte sich wieder über die Karte. »Hier geht es um alles oder nichts.«
»Quasi Sein oder Nichtsein?«, fragte Shakey im Scherz, aber die anderen sahen ihn nur verständnislos an, also murmelte er: »Sorry, nicht wichtig.«
Langsam wanderten Johns Finger über die Karte, folgten den Linien, malten imaginäre Verteidigungslinien, suchten nach optimalen Angriffsvektoren und den Möglichkeiten, genau diese zu blockieren. Schließlich schlug er mit der Faust auf den Tisch.
»Verdammt, Sarge, schaffen Sie mir Reinhards her. Wir müssen wissen, was Kay weiß. So geht das nicht weiter.«
Bull salutierte, dann lief er hinaus. Shakey spürte, wie er grinsen musste, und er war nicht der Einzige. Es war gut, den alten Leutnant wieder zu haben.
Nach kaum zwei Minuten kam der Sergeant wieder in den Besprechungsraum, gefolgt von Reinhards und Grasse. Der Manager wirkte ganz entspannt, als sei er nicht gerade in die Höhle des Löwen gegangen. Nach einem Blick auf Johns Gesicht fügte Shakey in Gedanken hinzu: des angepissten Löwen .
Grasse blieb neben der Tür stehen und lehnte sich lässig an die Wand. Seit gestern herrschte Eiszeit zwischen
ihr und dem Leutnant, und seine Leute ordneten sie dementsprechend Reinhards’ Lager zu.
»Was haben Sie aus Kay rausquetschen können, Sir?«
»Oh, wir haben gerade erst mit der Befragung begonnen.«
John warf einen ostentativen Blick auf seinen Chronometer. »Nach über neunzehn Stunden?«
»Es erschien mir opportun, ihn ein wenig im eigenen Saft schmoren zu lassen. Seine geistigen Widerstandskräfte zu senken. Sie verstehen schon.«
»Nein, Sir, eigentlich nicht. Ich verstehe nur, dass wir nicht wissen, wer oder was unser Feind ist, wann er anrücken wird und womit wir rechnen müssen. Wir sind blind und taub … Sir.«
Das letzte Wort spuckte John aus. Seine Miene war wie in Stein gemeißelt, harte Konturen, entschlossen.
Reinhards strich sich mit der Hand über die Stirn. »Das ist Ihr Job, John. Planen Sie einfach für alle Eventualitäten.«
Es schien, als habe die Ungeheuerlichkeit dieses Satzes John die Sprache verschlagen. Er holte Luft, setzte zu einer Erwiderung an, schwieg, schüttelte den Kopf und knurrte dann: »Das ist nicht möglich. Wir brauchen mehr Informationen!«
»Und die bekommen Sie«, bellte Reinhards sofort zurück. Falls ihn die Anwesenheit der Justifiers einschüchterte, zeigte er das nicht.
Shakey bemerkte, wie sich Johns Muskeln anspannten.
»Wann?«
»Sobald wir sie haben.« Unvermittelt wurde die Stimme des Managers jovial. »Wir sind dran, John. Kay ist vollkommen fertig mit den Nerven. Ich habe dafür sorgen lassen, dass er nicht geschlafen hat. Hunger, Durst, Schlafentzug – diese Maßnahmen tun schon das ihrige. Er wird reden. Haben Sie noch ein wenig Geduld.«
Alle sahen von Reinhards zu John. Das plötzliche Einlenken des Konzerners hatte Shakey überrascht. Vielleicht lief die ganze Angelegenheit doch noch glimpflich ab.
»Nein«, erklärte John ruhig, als lehne er nur eine Einladung zum Tee ab. »Wir machen das jetzt richtig. Wir haben schon zu viel Zeit verloren.«
»John, ich warne Sie. Kay fällt in meine Kompetenz. Ich …«
»Das hier ist kein Meeting!«, brüllte der Leutnant so laut, dass Shakey zusammenzuckte. »Kein verdammtes Kräftemessen am Pissoir und kein Gerangel um tolle Posten. Hier stehen Menschenleben auf dem Spiel! Das Leben unserer Leute. Meins. Und Ihres auch. Sind Sie zu verbohrt, um das zu erkennen?«
Reinhards war einen halben Schritt zurückgewichen, beeilte sich aber, wieder eine selbstbewusste Pose einzunehmen. Für einen winzigen Augenblick bekam Shakey einen Einblick in die Psyche des
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