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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Gewichts—
    Volumen-Verhältnisses. Und wir haben hier kein O-Zwei—
    Aufbereitungssystem. Wir führen die gesamte Atemluft mit und blasen die Abluft aus. Will jemand mir sagen, weshalb?
    Weil das MEM ein Kurzstrecken-Raumschiff ist und das
    zusätzliche Gewicht des Aufbereitungssystems deshalb nicht gerechtfertigt wäre…«
    York merkte, daß Gershons Trick – indem er dem Kurs eine Frage stellte und sie beiläufig selbst beantwortete, bevor jemand die Gelegenheit bekam, sich zu äußern – sie langsam verrückt machte.
    Gershon sagte den Lehrgangsteilnehmern, sie sollten die
    Kopie des Diagramms in ihren Büchern vervollständigen;
    dann verließ er den Raum und steuerte die Kaffeemaschine an.
    Obwohl Gershon sich durchaus mit MEM-Konstruktionen
    auskannte, war er kein ausgebildeter Ausbilder. Er war ein kleiner, drahtiger Mann Mitte Dreißig. Anscheinend stammte er aus Iowa, doch lebte er schon so lange in Houston, daß er einen texanischen Akzent angenommen hatte. Und nach all diesen Jahren war Gershon noch immer nur ein Astronauten-Anwärter, der auf seinen ersten Flug wartete, irgendwelche Hilfsdienste verrichtete und hoffnungsvolle Nachwuchskräfte unterrichtete.
    Für York war Gershon ein deprimierendes Vorbild.
    Sie blätterte ihr ›Malbuch‹ durch. So bezeichneten die
    Trainees die Werke, die vor jeder Vorlesung ausgegeben
    wurden; es handelte sich um Wälzer, die nur Grafiken und keinen Text enthielten. Die Diagramme auf dem Projektor sollten bis auf die Farben mit den Diagrammen in den Büchern identisch sein, und die Trainees – allesamt hochqualifizierte Spezialisten – mußten wie Schüler die Diagramme in den Büchern mit Buntstiften kolorieren. Sie mußten sich jeden Transistor, jedes Ventil, jede Röhre und jeden Schaltkreis jedes gottverdammten Raumschiffs merken, sei es nun geplant oder schon in Betrieb.
    Malbücher waren wirklich die letzten Lehrmittel, sagte sie sich. Zumal alles Systemwissen dieser Welt Jim Lovells Apollo 13 nichts geholfen hätte, als der Sauerstofftank
    explodierte.
    Außerdem bestand das Problem, daß das MEM als
    bewegliches Ziel ausgelegt war. Das MEM unterschied sich insofern von früheren Raumschiffsgenerationen, als die grundlegenden Entwürfe – Doppelkegel, Ballonschirme,
    Steckdüsen-Raketentriebwerke – vor dem Bau der ersten Schiffe bereits erprobt waren. Es stellte einen deutlichen Kontrast zu Apollo dar und schien in ihren Augen viel logischer zu sein. Doch aus diesem Grund entsprach das ECLSS-Diagramm in ihrem Buch nicht in allen Details dem
    Diagramm auf der Leinwand, und dieses entsprach wiederum nicht exakt der Realität des Raumschiffs, das irgendwann einmal gebaut werden würde. Weshalb sollte sie sich also mit dem ganzen Kram belasten?
    Das war alles Teil ihres Ascan-Lehrplans, eines Dokuments, das tatsächlich wie ein Strömungsdiagramm konzipiert war.
    Man folgte dem Fluß, arbeitete hier ein einstündiges Modul über Subsysteme ab und besuchte dort eine mehrstündige Vorlesung über Raumfahrtmedizin, bis man Barrieren im
    Flußdiagramm überwand, die einen auf die nächsthöhere
    Leistungsstufe hoben. Es war ein starres Ausbildungssystem, das von einem Ingenieur und nicht von einem Pädagogen entwickelt worden war.
    Das war typisch NASA. Nicht daß es ihr gelungen wäre,
    jemanden für diesen Schwachpunkt zu sensibilisieren.
    Die Neuen mußten ihre eigenen Buntstifte mitbringen, und York verschaffte es eine Art Lustgewinn, Triebwerkstrichter in Signalorange auszumalen, Sauerstofftanks in Puterrot und Elektromagneten in Xenonblau.
     
    Nachdem die Vorlesung beendet war, rannte sie zu Ben Priest.
    Ben steckte gerade im Training für seinen ersten Flug: Apollo-N, die orbitale Erprobungsmission für NERVA 2, die für Ende nächsten Jahres geplant war.
    Er war ebenfalls frustriert und gereizt, nachdem er den
    ganzen Tag in einer integrierten Simulation verbracht hatte.
    Aus irgendeinem Grund stand die übliche Barriere heute nicht zwischen ihnen. Sie standen nur in Tuchfühlung auf dem Gang und schauten sich ins Gesicht. Vielleicht teilten sie nur ihre Frustration. Wie dem auch sei, sie wußte, daß es heute geschehen würde.
    Sie setzten sich in Bens Auto und fuhren zu ihrem Apartment.
    Es war das dritte Mal in ebensovielen Jahren.
     
    »Diese verdammten Malbücher. Als ob man das Autofahren in der theoretischen Ausbildung lernen sollte«, knurrte sie. Sie nahm einen Schluck Cola und hielt sich die kühle, mit Reif überzogene Dose an die

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