Mission Ares
hatte er durch Gleichgültigkeit, Karrierebesessenheit und Unschlüssigkeit nicht alles verloren im Leben – gewiß aber in Herzensdingen. Und das alles für ein paar Stunden im All.
Er würde das ändern, wenn er auf der Erde angekommen und wieder gesund war. Bei Gott, das werde ich.
Das Triebwerk verstummte, und der Balsam der
Mikrogravitation verschaffte ihm für ein paar Minuten die ersehnte Erleichterung.
Ein dumpfes Rattern ertönte an der Grundfläche der Kabine.
Das war der Ring aus Sprengbolzen an der Basis der
kegelförmigen Kommandokapsel, die per Fernsteuerung von
Houston gezündet wurden und die beschädigte Betriebsund Versorgungseinheit abstießen.
Vielleicht sah er die Betriebsund Versorgungseinheit
wegdriften. Seine Pflicht bestand wahrscheinlich darin, eine Kamera zu suchen und das verdammte Ding zu filmen. Sicher.
Er war nicht einmal mehr imstande, die Hand zur Faust zu ballen; bei jedem Versuch spürte er einen explosiven Schmerz.
Nun erhob sich etwas über die Erdatmosphäre; es war eine goldbraune und angenehme Erscheinung. Der Mond. Er füllte die Mitte des Fensters aus. Er dachte an Joe Muldoon und seine Leute, die dort oben mit den Sowjets zusammen waren; wahrscheinlich würde Muldoon die Fortschritte beim Wiedereintritt verfolgen.
Er spürte einen Stoß im Rücken, und wieder wogte Schmerz über seine Haut. Das waren die Steuertriebwerke der Kommandokapsel: Houston oder der Bordcomputer
versuchten, die Kommandokapsel im zirka sechzig Kilometer breiten Wiedereintrittskorridor zu halten.
Durch den Schmerz spürte Priest, wie eine Art Sicherheit von ihm Besitz ergriff. Soweit er wußte, war das der Punkt in der Wiedereintritts-Sequenz, wo die Automatik ohnehin hätte anspringen müssen. Apollo-N funktionierte wieder nach Plan – zum erstenmal, seit der Kern der NERVA durchgegangen war.
»Haben Sie schon die voraussichtlichen Bahndaten, Retro?«
»Noch nicht, Flug.«
Es wurde verdammt knapp. Irgend etwas läuft falsch. Was verschweigt er mir?
Für Rolf Donnelly stellte der Moment, in dem die
Kommandokapsel in die Atmosphäre eindrang, das größte
Risiko beim Wiedereintritt dar. Dann hing nämlich alles vom Hitzeschild ab. Und falls der Schild durch die Explosion Risse bekommen hatte, würde die Kapsel platzen und wie ein Meteor verglühen. In dieser Hinsicht waren ihm die Hände gebunden; hier galt allein das ›Prinzip Hoffnung‹.
Bisher hatten sie kaum an der Atmosphäre gekratzt. Doch aus heiterem Himmel befürchtete er, die Kommandokapsel zu verlieren.
Der ›Retro‹ genannte Controller im ›Schützengraben‹ hatte den Auftrag, den Eintrittswinkel der Kommandokapsel zu überwachen. Unmittelbar vor dem Abstoßen der Betriebsund Versorgungseinheit hatte Retro Donnelly gemeldet, daß der Anflugwinkel von Apollo-N exakt in der Mitte des Eintrittskorridors lag. Es lief alles wie am Schnürchen. Und das bedeutete, daß die voraussichtlichen Bahndaten, die Retro prognostiziert hatte, noch immer gültig waren. Die voraussichtlichen Bahndaten definierten den Vektor, der
seinerseits den Eintrittswinkel des Raumschiffs in die
Atmosphäre bestimmte.
Doch Retro mußte die voraussichtlichen Bahndaten noch an den Bordcomputer der Kommandokapsel übermitteln. Und nun, ein paar Minuten vor dem Eintritt in die Atmosphäre, wurde Donnelly Ohrenzeuge einer Diskussion zwischen Retro und FIDO, dem Flugdynamik-Controller, der Retro die aktualisierten Prognosen zur Flugbahn des Raumschiffs
übermittelte.
»Das glaube ich Ihnen nicht, FIDO!« plärrte Retro.
Donnelly spürte, wie ihm die Galle hochkam. »Präzisieren Sie, Retro. Wollen Sie mir nicht sagen, was bei Ihnen los ist?«
»Overshoot, Flug. Wir stehen bei null komma drei eins
Grad.«
Noch immer innerhalb des Korridors. Dennoch war die Bahn in diesem Punkt zu steil. Und wenn diese Tendenz anhielt, würde Retro die voraussichtlichen Bahndaten revidieren müssen. »Haben Sie vielleicht eine Ahnung, was dort oben los ist, Retro?«
»Keine Ahnung, Flug.« Nun hatte zum erstenmal
Anspannung in der Stimme von Retro gelegen, und Donnelly sah, daß er dem neben ihm sitzenden FIDO über die Schulter blickte, um sich die aktualisierten Daten für die Flugbahn zu besorgen.
Würde die Flugbahn noch steiler werden? Das kam auf die
Ursache an. Wenn zum Beispiel eine der Schubdüsen für die Lage-und Bahnänderung blockiert war und ständig Vollschub gab, würde diese Tendenz anhalten. Wenn jedoch Treibstoff oder Kühlmittel aus
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