Mission Ares
weiter. Und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um einen solchen Unfall in Zukunft zu verhindern. Doch letztlich fliegen wir hier Experimental-Raumschiffe. Der Tod ist der ständige Begleiter eines Testpiloten – das war immer schon so. Man verliert ganze Besatzungen. Und das ist eine Wahrheit, mit der wir leben müssen.«
Michaels grunzte. Das Problem ist nur, daß man uns wohl nicht erlauben wird, damit zu leben.
Nachdem Udet, Seger und Muldoon gegangen waren, stand er noch für lange Zeit am Fenster.
Er vermochte sich nicht vorzustellen, daß die bemannte
Raumfahrt ganz eingestellt werden würde. Das würde sich
nämlich so verheerend auf die amerikanische Luft-und
Raumfahrtindustrie auswirken, daß eine solche Maßnahme
politisch nicht durchzusetzen wäre.
Doch rechnete er fest damit – und nahm es im Grunde schon als gegeben hin –, daß die NERVA erledigt war.
Und wie sollten sie ohne NERVA zum Mars fliegen, in dieser Dekade oder später? Würden sie sich damit begnügen müssen, im niedrigen Erdorbit herumzuhampeln?
… Vielleicht hatte er aber dringlichere Probleme.
Seger hatte geklungen, als ob er langsam die Nerven verlöre.
Das beunruhigte Michaels. Beide Häuser des Kongresses
würden jeweils eigene Anhörungen zu dem Zwischenfall
anberaumen, sobald die Präsidiale Kommission ihren Bericht vorgelegt hatte. Michaels hatte inzwischen eine Ahnung, welcher Ton bei diesen Anhörungen angeschlagen werden
würde: es waren Bestrebungen im Gange, Ingenieure der
NASA – womit hauptsächlich Seger gemeint war – wegen
grober Fahrlässigkeit anzuklagen.
Doch Michaels hatte von Tim Josephson und anderen gehört, daß Seger sechzehn Stunden am Tag arbeitete, drei bis vier Stunden schlief und die Freizeit in der Kirche verbrachte. Es hatte den Anschein, daß Seger sich mit körperlicher Erschöpfung und religiösem Eifer kasteite. Doch selbst das war manchmal noch zu wenig, und – wie Michaels gehört hatte – konsumierte Seger Tabletten und Alkohol, um sich noch den Rest zu geben.
Michaels befürchtete, daß Seger eine Anhörung nicht
durchstehen würde. Und wenn er dann noch solche Sprüche
brachte wie ›begrenzter Schaden‹ und ›alles unter Kontrolle‹
würden sie alle wie selbstgefällige Bastarde dastehen, und die Kongreßabgeordneten würden sie ans Kreuz schlagen.
Er schenkte sich einen Drink ein. Teufel. Wollten wir vielleicht doch zu viel auf einmal?
Er wurde die Erinnerung an den glasigen, fiebrigen Ausdruck in Segers Augen nicht mehr los.
Er wußte, daß er eine Entscheidung treffen mußte.
Mittwoch, 21. Januar 1981
Lyndon B. Johnson-Raumfahrtzentrum, Houston
Am Tag nach der Besprechung in Washington rief Fred
Michaels Bert Seger in Houston an.
Er legte Seger ans Herz, Urlaub zu nehmen.
Seger war dazu aber nicht bereit. Er fühlte sich fit und war voller Tatendrang, zumal er bei der Aufklärung der Unfallursachen immer besser vorankam.
Sie beendeten das Telefonat, ohne die Angelegenheit
abschließend geklärt zu haben.
Später am Tag besuchte Tim Josephson, der seit der
Katastrophe außerhalb von Houston gearbeitet hatte, Seger im Büro.
»Sehen Sie, Bert, wir möchten, daß Sie einmal ordentlich ausspannen.«
»Aber ich habe das doch schon mit Fred besprochen.«
»Ich auch. Und ich habe bereits eine Pressemitteilung verfaßt, die morgen rausgehen wird.«
»Dann können Sie auch gleich meinen Rücktritt verkünden«, empörte Seger sich.
Josephson hielt seinem Blick stand und musterte ihn prüfend.
»Bert, Sie sind überreizt. Sie sind nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.«
»Ach, wirklich? Woher, zum Teufel, wollen Sie das denn
wissen? Sind Sie etwa ein Arzt, daß Sie mir eine Diagnose stellen können?« Er starrte auf Josephsons schmales, intelligentes Gesicht. »Was geht hier vor, Tim? Überreizt –was, verdammt noch mal, soll das? Ich glaube, Sie lassen sich von Gerüchten, Halbwahrheiten und Dingen leiten, die Sie gar nicht begreifen.«
»Wirklich?« fragte Josephson trocken.
»Wirklich. Hören Sie, mir und meinen Leuten geht es gut.
Wir arbeiten mit den Jungs in Huntsville zusammen. Mit
Gottes Hilfe werden wir das durchstehen. Was auch immer Sie gehört haben, ich werde keinen Zusammenbruch erleiden.«
»Darum geht es auch gar nicht, Bert. Niemand will…«
»Hören Sie, Tim. Wenn Sie eine psychiatrische Untersuchung anberaumen wollen, dann tun Sie das. Ich werde den Rat jedes kompetenten Psychiaters
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