Mission Ares
sinkt – das heißt, die Reaktionsgeschwindigkeit sinkt automatisch. Das wird als ›negativer Temperaturkoeffizient‹ bezeichnet. In diesem Fall hat man eine negative Rückkopplungsschleife: die Reaktion fällt ab, und die Temperatur fällt ebenso.«
»Gut. Es handelt sich um eine Art Selbstkorrektur. Auf
diesem Prinzip basieren die Reaktoren von Atomkraftwerken.
Doch im Fall der NERVA war dieser Koeffizient positiv, zumindest in einem Teil des Temperaturbereichs. Als die Temperatur anstieg, erhöhte die Reaktivität sich auch…«
»Und die Geschwindigkeit der Kernspaltung erhöhte sich
ebenfalls und führte somit zu einem weiteren Anstieg der Temperatur…«
»Und so weiter. Ja.«
Michaels sah Udet düster an. »Ich habe das abgefuckte
Prinzip nun begriffen, Hans. Wieso, zum Teufel, sind wir mit einem instabilen Reaktor geflogen?«
Udet beugte sich nach vorn. Er war blaß im Gesicht, und die Halsmuskulatur war vor Zorn angespannt. »Sie müssen wissen, daß wir hier keine Reaktoren für Atomkraftwerke bauen. Wir machen keinen ›Dampf unter dem Kessel‹. NERVA 2 ist ein Hochleistungs-Triebwerk, ein semi-experimentelles Flugmodell. Stabilität genießt bei uns nicht immer höchste Priorität.«
Michaels runzelte die Stirn. Und du haßt es, auf diese beschissenen Fragen zu antworten, nicht wahr, Hans? »Und weshalb brauchen wir Instabilität? Wie meinen Sie das?«
»Es gleicht einem Hochleistungsflugzeug, Fred«, sagte Seger.
»Ein Schiff, das zu stabil ist, wird sich suhlen wie ein Schwein
– bildlich gesprochen. Deshalb ist Instabilität ein bewußtes Konstruktionsmerkmal. Ein instabiler Vogel ist in der Lage, schnell von einer Fluglage in die andere zu wechseln; wenn man das zu kontrollieren vermag, erhält man eine große Manövrierfähigkeit.«
»Das ist aber ein großes ›wenn‹, Bert. Zumal wir in der Praxis offenkundig nicht in der Lage waren, den Vogel zu kontrollieren. Hans, weshalb haben Sie das Regelsystem nicht entsprechend ausgelegt?«
Udet unterstrich jedes seiner Worte, indem er mit der
Handkante auf Michaels’ Schreibtisch hieb. »Wegen… der…
inakzeptablen… Gewichtszunahme.«
Michaels hatte allergrößte Bedenken, diesen Mann vor der Kommission aussagen zu lassen. »Weiter. Was geschah dann?«
»Die Ereignisse liefen dann in schneller Folge ab«, sagte Udet. »Die Leistungsabgabe stieg exponentiell an und verdoppelte sich in Sekundenbruchteilen. Die Brennstoff—Kügelchen – mit pyrolytischem Kohlenstoff überzogenes
Urankarbid – wurden durch den thermischen Schock aufgrund des plötzlichen Leistungsanstiegs zertrümmert. Die Flußkanäle innerhalb des Kerns schmolzen. Die Moderator-Systeme versagten. Es erfolgte eine Wasserstoffexplosion, die den Druckmantel und den biologischen Schild zerstörte…«
»In Ordnung.« Michaels schauderte. »Den Rest kennen wir
bereits.« Mein Gott. Was für ein Schlamassel. »Dann wurde das alles also durch ein beschissenes Leck in einer Wasserstoffleitung verursacht.«
Bert Seger nickte. »Das Szenario ist wohl nicht so schlimm, wie Sie vielleicht befürchtet hatten«, sagte er dann. Michaels war perplex.
»Nicht so schlimm? – Wovon, zum Teufel, reden Sie, Bert?«
»Die Beeinträchtigung des Wasserstoffflusses rührte von
einem simplen Materialfehler her. Es handelte sich um Risse, die auf zirka zwei Metern Länge in einer Edelstahl-Brennstoffleitung mit einem Durchmesser von fünfzehn Millimetern aufgetreten sind, die flüssigen Wasserstoff vom Tank zum nuklearen Triebwerk transportierte. Mehr nicht. Es dürfte ein leichtes sein, das abzustellen.«
»Und weshalb ist die verdammte Leitung überhaupt
gerissen?«
»Nun, wir hatten einen neuentwickelten
Schwingungsdämpfer eingebaut«, sagte Seger. »Jede Leitung war mit zwei schwingungsdämpfenden Faltenbälgen bestückt, deren Oberfläche aus einem Drahtgeflecht bestand. Als die neue Leitung Schwingungstests auf dem Boden unterzogen wurde, haben sie perfekt funktioniert.«
»Wieso…«
»Es stellte sich heraus«, sagte Udet, »daß der durch die Leitung fließende flüssige Wasserstoff in der Atmosphäre Eisbildung auf dem Drahtgeflecht verursachte. Und dadurch veränderte die Charakteristik der Bälge sich so sehr, daß sie nicht mehr in der Lage waren, die Schwingungen der Leitungen zu dämpfen.«
»Aha«, sagte Michaels. »Aber im Vakuum kann sich doch
gar kein Eis bilden.«
»Und die Bälge vibrierten dann wie Preßlufthämmer«, sagte Joe Muldoon. »Als die
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