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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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rief Jack Morgan zu sich und schob ihm das Telegramm
    über den Tisch zu.
    Morgan las den Text sorgfältig durch, wobei er Lee aus dem Augenwinkel beobachtete.
    Absender des Telegramms war Ralph Gershon, einer der
    Astronauten im Prüfungsausschuß. Hauptsächlich handelte es sich um Fragen zu Columbias Angebot. Es ging ordentlich zur Sache, und die erste Frage war geradezu ein Hammer. Die Unternehmens-Geheimsprache lautete im Klartext: Wie sollte ein beschissener Haufen von Amateuren wie der von Columbia wohl die Entwicklung eines komplexen Raumschiffs wie des MEM auf die Reihe kriegen?
    »Das war es wohl«, sagte Morgan und warf Lee einen Blick zu. »Wir sind draußen.«
    Morgan hatte Lee noch nie so niedergeschlagen erlebt wie in den paar Monaten, die seit der Präsentation des MEM nun schon vergangen waren. Nachdem die Anspannung sich gelegt hatte und der Schlafmangel und die anderen Entbehrungen sich bemerkbar machten, war Lee in eine starke Depression verfallen. Zumal inzwischen ans Licht gekommen war, daß Lee den Etat überzogen hatte. Das hatte böses Blut in der Firma gemacht. Während der MEM-Übung hatte Morgan sich ernstliche Sorgen wegen des Raubbaus gemacht, den Lee mit seiner Gesundheit trieb. Ganz zu schweigen davon, was er seiner Familie zumutete. Nachdem die Sache mit dem MEM
    sich nun erledigt hatte, wußte Morgan, daß Lee verstärkt auf seine Gesundheit achten mußte. Vielleicht würde er mit Jennine sprechen, damit sie ihn zur Vernunft brachte.
    Doch Lee lehnte sich gemütlich zurück. Er machte einen
    agilen, gelösten Eindruck und hatte wieder dieses Funkeln in den Augen, das Morgan als Signal für Lees Hyperaktivität zu deuten gelernt hatte.
    »Teufel, nein«, sagte Lee nachdrücklich. »Haben Sie es noch nicht kapiert? Diese verdammte Nachricht besagt, daß wir nach wie vor im Rennen sind. Sonst hätten sie uns wohl kaum diese Fragen gestellt.«
    »Und was werden Sie nun tun?«
    »Ihnen die Antworten geben. Was sonst.« Lee hackte auf die Taste der Sprechanlage. »Bella. Ich möchte, daß Sie ein paar Anrufe tätigen. Trommeln Sie so schnell wie möglich die MEM-Gruppenleiter zusammen. Und buchen Sie für uns alle
    einen Flug nach Houston. Für – lassen Sie mich überlegen –zwei Tage.«
    »Aber heute ist Sonntag, JK.«
    »Sie fangen schon wieder mit Ihrem ›aber aber aber‹ an«, sagte Lee. »Ich hatte Ihnen das doch schon einmal gesagt…«
    »Ja, Sir, JK.«
    Morgan war entgeistert. »Das ist doch nicht Ihr Ernst. Das hat es noch nie gegeben, daß ein Bewerber während des laufenden Auswahlverfahrens persönlich vorstellig wird.«
    »Gibt es vielleicht ein Gesetz, wonach das verboten ist?«
    »Gewiß ein ungeschriebenes.«
    Lee zog die Augenbrauen hoch. »Das tangiert mich nicht mal peripher.«
     
    Nach der Visite der Columbia-Delegation am JSC wurde die Beurteilung noch einmal revidiert, und die Vorsitzenden des Prüfungsausschusses leiteten das Angebot an Tim Josephson in Washington weiter.
    In Anlehnung an das Bewertungsschema sprachen Muldoons
    Leute sich nach wie vor für Rockwell aus, nur daß Columbia inzwischen auf dem dritten Platz rangierte.
    Der NASA-Direktor lauschte aufmerksam.
    Dann bedankte Josephson sich beim Gremium und bat Joe
    Muldoon, Ralph Gershon und ein paar andere, noch etwas zu bleiben.
    »Sagen Sie mir die Wahrheit«, verlangte er in einem Ton, den Gershon als leidenschaftslos und typisch bürokratisch empfand. »Gibt es noch andere Faktoren außer denjenigen, die vom Prüfungsausschuß berücksichtigt wurden und die ich bei meiner Entscheidung in Betracht ziehen sollte?«
    »Teufel, ja«, sagte Muldoon. »Sie sollten sich das Angebot von Columbia noch einmal ansehen, Tim.«
    »Und weshalb?«
    »Weil es meiner Meinung nach in technischer Hinsicht am
    substantiellsten ist. In einigen Punkten ist es vielleicht noch etwas unausgegoren, doch unterm Strich ist es das fundierteste Angebot von allen. Die Hilfe kompetenter Zulieferer wird das organisatorische Handikap von Columbia auf jeden Fall neutralisieren…«
    Gershon mußte ein Grinsen unterdrücken. Nachdem er
    Muldoon, Josephson und den Rest der Truppe in den letzten paar Tagen bei der Arbeit beobachtet hatte, war er zu dem Schluß gelangt, daß die Leitung einer Organisation viele Parallelen zum Fliegen eines Flugzeugs aufwies. Gewiß, man mußte die Instrumente im Blick haben; doch die Rohdaten, auch wenn man sie noch so gründlich interpretierte und analysierte, waren eben nur eine Einflußgröße von

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