Mission Ares
allein, obwohl sie mit diesem Zustand eigentlich zufrieden war.
Doch sie vermißte Ben schrecklich.
Montag, 6. Dezember 1982
Firmensitz von Columbia Aviation, Newport Beach
Der MEM-Simulator in Newport war ein klobiges Gerät, das nur wenig Ähnlichkeit mit dem gefälligen Design des endgültigen Raumschiffs aufwies. Der in einer Ecke der
Montagehalle aufgestellte Simulator sah aus wie ein Auto nach einem Crashtest. Er war von Großrechnern flankiert.
Ralph Gershon stieg aus dem Simulator. Er war stinksauer.
»Das abgefuckte Teil ist eine Zitrone«, sagte Gershon. »Eine große, dicke Zitrone, JK.«
JK Lee wartete an der Luke auf ihn. Sein rundes Gesicht war sorgenvoll zerfurcht. »Mein Gott. Sprechen Sie mit mir, Ralph.«
»Schauen Sie«, sagte Gershon, »der Simulator soll das echte Gerät abbilden – das ist doch der Witz bei der ganzen Sache.
Und dann sieht es gar nicht gut aus, wenn der linke
Steuerknüppel hier sitzt, wenn er beim echten Gerät dort drüben plaziert wäre. JK, konstruktive Änderungen müssen Sie auch beim Simulator berücksichtigen.«
»Teufel, das weiß ich auch, Ralph. Aber was soll ich denn machen? Die MEM-Konstruktion ist dermaßen im Fluß, daß sich immer ein paar hundert Änderungen auf einmal ergeben, und da ist es ausgeschlossen, den Simulator jedesmal auf den neuesten Stand zu bringen…«
»Das ist aber noch nicht alles«, sagte Gershon, streifte die Handschuhe ab und stopfte sie in den Helm. »Das Ding an sich ist Murks. Die Änderungen, die schon eingeflossen sind, sind nämlich nicht aufeinander abgestimmt.« Er sah den gequälten und angespannten Ausdruck in Lees Gesicht und fühlte einen Widerstreit zwischen der Sympathie für den Mann und dem Zorn, der ihn gepackt hatte. »Sehen Sie, JK, ich muß mich in dieser Sache an Cane wenden. Das ist meine Aufgabe, verdammt. Es ist unmöglich, sich mit einem derart schlechten Simulator auf einen Einsatz vorzubereiten, zumal der Simulator selbst in meinen Augen eine große Gefahr für das Projekt darstellt.«
Lee zog ihn vom Simulator weg und zündete sich eine
Zigarette an. »Mein Gott, sagen Sie mir doch, was los ist. Die Änderungen sind mein Alptraum, Ralph. Die Änderungen sind noch mein Tod.« Er skizzierte das Bild einer ganzen Industrie, die den Weg zum Mars ebnete. Die gesamte Nation konzentrierte ihre handwerklichen und wissenschaftlichen Anstrengungen auf ein einziges Problem, und hier zeichnete das Ergebnis dieser Anstrengungen sich bereits ab. »Wir betreten in vielerlei Hinsicht Neuland«, sagte Lee. »Da ist es nicht verwunderlich, daß nichts auf Anhieb klappt. Uns flattern jede Woche tausend Änderungswünsche aus dem ganzen Land ins Haus. Und bei jeder Änderung muß die Peripherie der jeweiligen Komponente auch geändert werden. Und ich sage Ihnen auch, wer in dieser Hinsicht die Schlimmsten sind.« Er beäugte Gershon. »Ihr Nasen im Astronauten-Büro.«
Gershon lachte. Es überraschte ihn nicht, das zu hören.
Die Astronauten hatten noch immer großen Einfluß, sowohl offiziell als auch inoffiziell. Schließlich riskierten sie ihr Leben. Lee versuchte, sie wie alle anderen in seinen ›Änderungswunsch-Prozeß‹ zu integrieren, damit alles seine Ordnung hatte. Jedoch war er sich auch der Notwendigkeit bewußt, daß diese Gruppe ihm gewogen blieb. Deshalb hatte er auf demselben Gang, wo sein Büro lag, ein ›Separee‹ für die Astronauten eingerichtet. Der Raum verfügte über eine Dusche und ein paar Feldbetten, so daß die Raumfahrer hier ein Refugium hatten und Zuflucht vor der Presse fanden. Und er hatte sie auch schon zu sich nach Hause eingeladen, wo Jennine sie großzügig bewirtete und wo er ihnen Honig ums Maul schmierte und sie förmlich in den Himmel hob. Die Astronauten betrachteten JK Lee fortan als den größten
Glücksfall, der dem Raumfahrtprogramm seit der Erfindung des Klettverschlusses beschieden war.
Jedenfalls solange, sagte Gershon sich, bis er ihren nächsten Änderungswunsch ablehnte.
Nun erregte etwas in einem anderen Bereich der Werkstatt Lees Aufmerksamkeit. Er ging zum Maschinenführer einer Sechs-Tonnen-Revolverdrehbank hinüber, der dünne Scheiben von einer komplizierten Aluminiumstruktur abschälte. Das Ding hatte die Ästhetik eines Kunstwerks, und Gershon war in seiner Eigenschaft als Experte für MEM-Systeme nicht in der Lage, das Objekt zu identifizieren oder seine Funktion zu bestimmen. Lee nahm die Konstruktionszeichnung, die dem Werktätigen als
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