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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Vorlage diente. Dann rief er Gershon zu sich; Lee war erregt, und der offenbar peinlich berührte Maschinenführer vermied es, Gershon in die Augen zu sehen.
    Gershon tat der Mann leid.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte Lee und wedelte Gershon mit der Zeichnung vor dem Gesicht herum.
    »Was ist denn damit?«
    »Unsere Unternehmenspolitik sieht vor, daß Zeichnungen mit über einem Dutzend Änderungen neu gezeichnet werden müssen. Auf dieser Zeichnung erscheinen aber über hundert Änderungen, um Himmels willen. Und es kommt noch besser.«
    Er nahm die Komponente in die Hand, die der
    Maschinenführer bearbeitet hatte. »Das Ding hier ist Schrott!
    Das weiß ich jetzt schon! Ehe es überhaupt fertig ist!« Er warf das Werkstück auf den Boden, wo es scheppernd aufprallte.
    Der irritierte Maschinenführer wischte sich die Hände an einem Lappen ab und hielt Ausschau nach dem Vorarbeiter.
    Lee stakste verkrampft davon; Gershon klemmte sich den
    Fliegerhelm unter den Arm und folgte ihm.
    Lee wirkte hager, und die Haut war so straff, als ob sie von Drähten unter dem Fleisch gespannt wäre. Seine Haltung war gebeugt. Lee wurde von Nervosität und Adrenalin schier verzehrt.
    Gershon hielt sich schon seit geraumer Zeit in Newport auf und verfolgte die Entwicklung des MEM. Er hatte sich den Jungs von den Biowissenschaften als Versuchskaninchen zur Verfügung gestellt, war durch Luken gekrabbelt und Leitern in Sandkästen mit marsrotem Sand hinabgestiegen.
    Er hatte viele Stunden in bemalten Sperrholz-Attrappen des Raumschiffs verbracht und sich vorzustellen versucht, daß dies real sei, daß er sich ganz allein in den Weiten des Sonnensystems befand und mit einem Raumschiff auf dem
    Mars landen wollte. Wie seinerzeit Pete Conrad.
    Er wollte zum besten Kenner des MEM avancieren. Bald
    würde er dieses Ziel erreicht haben.
    Er hatte erkannt, daß dieser Ort, die Firma Columbia
    Aviation, auf Hochtouren lief und von der erbarmungslosen, zerstörerischen Energie von JK Lee angetrieben wurde. Doch unter diesem Druck und in Anbetracht der Komplexität des Projekts hing ständig das Damoklesschwert des Scheiterns über der Firma.
    Dennoch rückte Gershon nicht von dem Standpunkt ab, den
    er schon bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe vertreten hatte: daß nämlich die Columbia-Vision des MEM – inspiriert und umgesetzt von JK Lee – am ehesten geeignet war, ein Fluggerät zu bauen, mit dem Menschen in ein paar Jahren zum Mars flogen.
    Gershon hatte strenge Maßstäbe an Columbia angelegt. Doch er wollte auch, daß das Projekt ein Erfolg wurde. Er wollte zum Mars fliegen, verdammt, und nicht JK Lees Skalp an die Wand nageln.
    Während er noch diesen Gedanken nachhing, stolperte er
    über einen Draht, der über den Boden gespannt war. Und als er den Blick senkte, sah er noch mehr Drähte, lose Bauteile und verstreute Ausrüstung: Teile des Raumschiffs, die von der Springflut der Spezifikationsänderungen mitgerissen worden waren und nun wie Wrackteile auf dem Boden verstreut lagen.
     
    Montag, 22. Februar 1983
    Luftwaffenstützpunkt Ellington, Houston
     
    Gershon ging mit dem Fliegerhelm unter dem Arm um das
    Trainingsgerät herum. Natalie York begleitete ihn. Ihr Haar wurde von der Brise zerzaust, und die Augen verbargen sich hinter einer Sonnenbrille.
    Ralph Gershon konnte nicht an sich halten. »Das ist das MLTV? Heilige Scheiße«, sagte er.
    Der Astronaut Ted Curval aus Phil Stones Erstbesatzung
    fungierte heute als ihr Vorgesetzter. »Sie üben heute am Marslandungs-Trainingsgerät Nummer Drei. Hammerhart, was?« sagte er grinsend.
    Beim Marslandungs-Trainingsgerät handelte es sich um einen Gitterrohrrahmen auf sechs Landebeinen. In der Mitte sah Gershon eine nach unten gerichtete Düse, um die sich ein paar Treibstofftanks gruppierten. Die Düsen für die Reaktionssteuerung klebten wie metallische Beeren an den vier Ecken des Gitterrohrrahmens. Dann gab es noch zwei große Hilfsraketen, die ebenfalls nach unten gerichtet waren. Das Cockpit enthielt einen teilweise mit Aluminium ummantelten Schleudersitz. Auf eine Seite war mit großen Lettern ein NASA-Logo gepinselt; darüber befand sich eine schwarze, mit einer Schablone gezeichnete ›Drei‹. Das Ding war etwa drei Meter hoch, und die Füße beschrieben einen Kreis mit einem Durchmesser von fast vier Metern. Weil das Gerät nicht verkleidet war, hatte man einen freien Blick auf die Innereien: Düsen, Raketen, Treibstofftanks, Rohrleitungen, Kabelbäume und so

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