Mission Ares
verdammtes Feldlager.« Er trat gegen einen von Romeros weißen Steinen. »Ben, das ist eine verdammte Zeitverschwendung.
Unser Programm ist auch ohne diesen Mist schon dicht
gepackt genug.«
»Komm schon, Chuck«, sagte Adam Bleeker gemütlich. »Gib
ihm wenigstens eine Chance.«
»Scheiß drauf und scheiß auf dich«, gab Jones ihm zu
verstehen. »Hört zu: wir sind doch nur die gottverdammte Reserve-Mannschaft für Apollo 14. Zum einen werden wir
wahrscheinlich nicht einmal zum Mond fliegen. Zum zweiten sind die Mond-Apenninen das Ziel, und nicht Kalifornien.
Weshalb sollte ich also über einen Haufen beschissener
kalifornischer Steine stolpern? Zum dritten bin Pilot. Ich sehe nicht ein, weshalb ich über die Geologie des Mondes Bescheid wissen muß, um meine Aufgabe zu erfüllen.«
»Sieh mal, Chuck…«, sagte York und trat vor.
Der verächtliche Blick, den er ihr nun zuwarf, ließ sie
innehalten; gerade so lange, daß Romero Zeit hatte, die Hand zu heben.
»Nur mit der Ruhe. Mr. Jones hat natürlich völlig recht.«
Jones wirkte verwirrt.
»Es kommt nicht darauf an, ob Sie über die San Gabriel-Berge Bescheid wissen. Natürlich nicht. Im Grunde kommt es auch nicht darauf an, ob Sie über den Mond Bescheid wissen.
Worauf es mir aber ankommt, ist, daß Sie lernen müssen, zu beobachten, wenn die Mission ein durchschlagender Erfolg werden soll.«
Ein durchschlagender Erfolg. Ben Priest mußte ein Grinsen unterdrücken, und York fragte sich, ob er Romero ein paar Boxer-Sprüche beigebracht hatte, mit denen er Jones kontern konnte.
Auf jeden Fall hatte er damit Erfolg. Jones bückte sich und hob einen weißen Stein auf. »Wenn Sie mir nun noch sagen würden, wozu das, verdammt noch mal, gut sein soll.«
»Der Stein heißt Anorthosit«, sagte Romero gleichmütig.
»Und wir vermuten stark, daß er der Hauptbestandteil der Kruste des Urmonds war.«
»Wirklich?« Nun trat Adam Bleeker vor und nahm Jones den Stein aus der Hand – als ob es die einzige Anorthosit-Probe im Tal sei, sagte York sich. »Wie das?«
Jones schmollte noch immer, doch nun stand er nicht mehr im Mittelpunkt, sondern Romero hatte wieder die Kontrolle übernommen.
»In der Entstehungsphase war der Mond wahrscheinlich eine Schmelze. Als er sich dann abkühlte, bildete sich bis zu einer Tiefe von etwa hundertfünfzig Kilometern eine Kruste aus anorthositischem Gestein – helles Gestein wie dieses hier.
Sehen Sie, die Hauptbestandteile von Anorthositen, wie
Plagioclase, sind leicht; die schwereren Mineralien wie Eisen und Magnesium haben sich im Mondkern abgelagert. Und nun glauben wir, daß die helleren, älteren Gebiete, die wir an der Mondoberfläche ausgemacht haben, hauptsächlich aus Anorthosit bestehen, während es sich bei den dunklen maria um erstarrte Lavaseen handelt.«
Bleeker mußte bei dieser Vorstellung grinsen. »Dann waren die maria früher einmal Meere.«
York nickte. »Es muß ein unglaublicher Anblick gewesen
sein: Meere von der Größe des Mittelmeers, in denen
rotglühende Lava brodelte…«
Ihre Stimme erstarb. Jones, dessen Augen hinter der
Sonnenbrille nicht zu sehen waren, schaute sie an und machte sich bei Ben Priest über sie lustig. Darüber, wie sie beim Sprechen die Augenbrauen hochzog.
Ben fühlte sich unbehaglich. Er wußte nicht, ob er den Scherz des Kommandanten mit einem Grinsen quittieren oder sich über den Affront gegen seine Freundin ärgern sollte.
Auf jeden Fall schwieg York nun. Sie war wütend und fühlte sich wieder wie die linkische Sechzehnjährige, die sie einmal gewesen war.
Mit ausladender, theatralischer Geste entfernte Jorge Romero sich ein paar Schritte. »Hört zu. Ich möchte, daß ihr diesen Ort als bessere Beobachter verlaßt, als die ihr hergekommen seid.
Aber ihr sollt noch etwas mitnehmen: ein Gespür für das
Drama der Geologie.« Er ließ den Blick schweifen. »Wenn ihr euch in einem Tal wie diesem umseht, nehmt ihr vielleicht ein paar staubige Felsen wahr. Ich sehe aber gewaltige Prozesse, welche die Oberflächen von Welten umformten und im Zeitablauf erstarrt sind. Ich bin sicher, daß Natalie die gleiche Wahrnehmung hat. Wir sehen es nur deshalb nicht, weil wir im Vergleich zu diesen Abläufen Eintagsfliegen sind.
Und nun fliegt ihr vielleicht zum Mond! Ihr müßt diese
Gelegenheit beim Schopf packen und mit offenem Herzen und Bewußtsein dorthin gehen. Glaubt mir, wenn ich sage, daß ich alles geben würde, um mit euch zu tauschen.«
Chuck Jones
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