Mission Arktis
gegen seine Rolle als Babysitter einzuwenden. Jetzt kauerte er am Fuß des Bettes und wachte über den Jungen, sah, wie er schlief, die winzigen Finger wie im Gebet neben den Lippen gefaltet.
Makis Gesicht ließ keinen Zweifel an seiner InuitHerkunft: die olivfarbene Haut, die ebenholzschwarzen Haare, die braunen Mandelaugen. Während Matt ihn anblickte, wurde er von Erinnerungen an Tyler überwältigt. Die gleichen dunklen Haare und Augen – das Erbe seiner Mutter. Matts Herz tat weh; noch mehr als Angst verspürte er ein tief sitzendes Verlustgefühl.
»Schwer zu glauben …«, murmelte Dr. Ogden aus der Nachbarzelle und schaute die beiden an. Matt hatte erzählt, was sie in Wladimir Petkows Aufzeichnungen gefunden hatten.
Matt nickte nur. Er konnte die Augen nicht von dem Jungen abwenden.
»Was ich nicht darum geben würde, den Jungen zu untersuchen … wenigstens eine kleine Blutprobe.«
Matt seufzte und schloss die Augen. Wissenschaftler. Sie blickten nie über den Tellerrand ihrer Forschung hinaus, sie merkten nicht einmal, was sie anrichteten.
»Ein Hormon der Grendel«, fuhr Ogden fort. »Das ergibt jedenfalls einen Sinn. Um die Kryosubstanz herzustellen, brauchte man eine unmittelbare Enzymkaskade der Gensequenz. Hautdrüsen wären die perfekten Vehikel, um das gewünschte Ergebnis herbeizuführen. Die Haut vereist, das ruft eine Ausschüttung der Hormone hervor, die Gene werden aktiviert, Glukose strömt in die Zellen, um sie zu konservieren, dann friert der Körper ein. Und da die Grendel Säugetiere sind, wäre die chemische Zusammensetzung ihrer Hormone mit der anderer Säugetierrassen kompatibel. Wie man beispielsweise auch Insulin von Kühen und Schweinen benutzt hat, um Diabetes beim Menschen zu behandeln. Die Arbeit hier war ihrer Zeit weit voraus. Einfach brillant.«
Matt hatte genug. »Brillant?«, blaffte er Ogden an. »Sind Sie total übergeschnappt? Wie wäre es mit monströs? Haben Sie überhaupt die geringste Ahnung, was man diesen Menschen angetan hat? Wie viele getötet wurden? Verdammt!« Er deutete auf Maki, der sich leise rührte. »Sieht er etwa aus wie eine Laborratte?«
Ogden trat von den Gitterstäben zurück. »Ich wollte damit ja nicht andeuten …«
Matt bemerkte die Augenringe im Gesicht des Biologen. Seine Hände zitterten, als er das Gitter losließ. Eigentlich wusste Matt ja, dass der Mann ebenso müde und verängstigt war wie sie alle. Er hatte es nicht wirklich verdient, so angebrüllt zu werden. Deutlich sanfter fuhr Matt fort: »Jemand muss die Verantwortung übernehmen; es muss eine Grenze geben. Die Wissenschaft kann in ihrem Wunsch nach Fortschritt nicht einfach die Moral ignorieren. Sonst haben wir am Ende alle verloren.«
»Da wir gerade vom Verlieren sprechen«, mischte sich Washburn ein. »Was ist eigentlich mit dem DeltaForceTeam? Ist es in der Lage, die Station hier einzunehmen?«
Matt sah, wie bei ihrer Frage Leben in die beiden Biologiestudenten kam. Befreit zu werden , das war ihre einzige Hoffnung. Aber er erinnerte sich auch an Admiral Petkows Entschlossenheit. Der russische Kommandant würde nicht kapitulieren, auch nicht gegen eine Übermacht. Außerdem hatte Matt ein Glitzern in seinen Augen bemerkt, eine kühle Sachlichkeit, die ihm fast noch mehr Angst einjagte als Waffen und Grendel.
Nur der kleine Junge schien diese Kühle durchdringen zu können. Matt warf einen Blick auf Maki. Vielleicht war dieses Kind nicht nur der Schlüssel zur Rettung von Wladimir Petkow gewesen, sondern auch für die seines Sohnes. Aber eine so tiefgreifende Veränderung brauchte Zeit … Zeit, die sie nicht hatten. Petkow war wie ein russischer Bär, der in seinem Bau in die Enge getrieben wurde. Etwas Gefährlicheres gab es kaum – und nichts Unberechenbareres.
Matt wandte sich an Washburn. »Ich habe mindestens zwölf Soldaten gezählt. Zudem sind die Russen noch im Vorteil, weil sie sich hier drin verschanzt haben. Es wäre ein voller Frontalangriff nötig, um eine Bresche hier hereinzuschlagen, gefolgt von einem blutigen, brutalen Kampf, bei dem eine Ebene nach der anderen gesäubert werden müsste.«
»Aber unsere Leute werden doch kommen, oder?«, fragte Magdalene von ihrer Pritsche.
Matt sah die kleine Gruppe von Überlebenden an. Fünf waren es – oder sechs, wenn man Maki mitzählte. Falls das DeltaForceTeam hierher zurückkam, dann ging es um mehr als nur eine Befreiungsaktion. Garantiert hatte Craig von den Proben erfahren. Letztendlich würde der Erfolg der
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