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Mission Arktis

Titel: Mission Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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breit grinsend musterte. MacFerran stampfte zum Tunnelausgang. Henry schlug die andere Richtung ein, um seinen Untergebenen eine Standpauke zu halten. Hoffentlich würde die Détente für einen mindestens vierundzwanzigstündigen Frieden zwischen Biologen und Geologen sorgen.
Dr. Willig trat zu ihr. »Einen Moment hab ich schon gedacht, Sie würden den beiden eine ordentliche Tracht Prügel verpassen.«
»Das hätten sie viel zu sehr genossen.«
»Kommen Sie mit.« Der Schwede winkte. »Sie sollten sich ansehen, was für Dr. Ogden in Wahrheit so schrecklich wichtig ist.«
Wie ein Vater nahm er sie bei der Hand und führte sie zu der inzwischen bekannten Felsspalte im Vulkangestein. Sie folgte ihm nur widerstrebend. »Ich war da schon drin.«
»Ja, aber haben Sie gesehen, was unser streitlustiger Wissenschaftler dort anstellt?«
Neugier war das Einzige, was Amanda in Bewegung hielt. Heute Morgen hatte sie ihren Thermalanzug abgelegt und sich für den Ausflug in den eisigen Kriechkeller nur mit Jeans, Stiefeln, Wollpullover und einem geborgten GoretexAnorak gerüstet. Als sie den Tunneleingang erreichten, fiel ihr endlich auf, wie warm es war. Ein ununterbrochener Strom feuchter Luft quoll aus dem Mund der Höhle.
Dr. Willig ging voraus, noch immer ihre Hand haltend. »Das ist wirklich höchst erstaunlich.«
»Was ist erstaunlich?« Die Wärme lenkte sie ab … und auch der leicht ranzige Geruch, der die feuchte Luft durchsetzte. Kleine Wasserbäche tröpfelten unter ihren Stiefeln über den Fels. Und es tropfte auch von der Decke.
Noch sechs Schritte und sie standen in der Höhle. Wie in dem größeren Raum hinter ihnen hatte auch hier die moderne Technologie Einzug gehalten. In einer Ecke brummte ein zweiter Generator. An den Wänden standen auf die Raummitte gerichtete Heizkörper, und zwei Scheinwerfer erleuchteten den Raum für Amandas Geschmack viel zu hell.
Gestern Abend, im Licht einer Taschenlampe, war die Kammer schon unheimlich genug gewesen und hatte wie aus einem anderen Zeitalter gewirkt. Aber jetzt, unter den grellen Halogenstrahlern, hatte er etwas Klinisches an sich.
Wie gestern lag die sezierte Kreatur ausgestreckt und festgepinnt in der Mitte des Raums. Aber jetzt war sie nicht mehr von Eis überzogen, sondern glänzte und tropfte wie frisches Fleisch auf dem Schlachtblock. Die freigelegten Organe sonderten Flüssigkeit ab, und es sah aus, als hätte die Sezierung erst gestern begonnen, nicht vor sechzig Jahren.
Auch von den sechs großen Eisblöcken hinter dem toten Körper troff das Schmelzwasser und sie waren kristallklar geworden. Im Zentrum jedes Brockens sah man klar und deutlich ein zusammengerolltes bleiches Tier, in der Mitte die Nase, den dicken Schwanz um den Körper geschlungen.
»Erinnert Sie diese schlafende Gestalt an etwas?«, fragte Dr. Willig.
Amanda erforschte ihre Alpträume, aber es fiel ihr nichts Passendes ein. Also schüttelte sie den Kopf.
»Vielleicht liegt es an meinem nordischen Erbe. Mich erinnern die Biester jedenfalls an die alten norwegischen Drachen. An die großen zusammengerollten Lindwürmer. Die Nase am Schwanz. Ein Symbol des ewigen Kreislaufs.«
Amanda folgte der Logik ihres Freundes. »Sie glauben also, dass die Wikinger die eingefrorenen Bestien schon gefunden haben? Diese … diese Grendel?«
»Die Wikinger waren die ersten Polarforscher und haben den Nordatlantik bis nach Island und ins gletscherbedeckte Grönland überquert«, erwiderte Willig achselzuckend. »Wenn hier ein Nest dieser Kreaturen existiert, wer weiß, ob es im eisigen Nordland nicht noch mehr davon gab.«
»Ich denke, das wäre durchaus möglich.«
»War bloß so eine Idee.« Er starrte auf die schmelzenden Eisblöcke. »Aber es erweckt gewisse Vorbehalte in mir. Vor allem, weil wir in dieser Station schon so häufig auf den Tod gestoßen sind.«
Sie warf ihm einen Blick zu. Dr. Willig konnte unmöglich etwas von der Entdeckung in Ebene vier wissen.
Aber er fuhr fort: »Die ganzen russischen Wissenschaftler und das technische Personal. Es ist eine Tragödie. Man fragt sich doch unwillkürlich, was da vor sechzig Jahren passiert ist. Warum die Station untergegangen ist.«
Amanda seufzte. Sie erinnerte sich noch gut an ihre ersten Schritte in das Grab. All die Leichen – manche nur noch Skelette, als wären sie verhungert; andere eindeutig Selbstmörder; wieder andere, die ein noch gewaltsameres Ende gefunden hatten. Sie konnte sich nur ausmalen, was für ein Wahnsinn sich hier abgespielt

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