Mission auf Leben und Tod
Storm und mittlerweile bewährter Vorort-Korrespondent des TV-Senders Al-Dschasira, der in einem glitzernden modernen Bürogebäude in Doha, der Hauptstadt von Katar, residierte. Er fungierte als eine der vielen Verbindungen des Senders zu den Schlachtfeldern im Irak und verkörperte dessen Entschlossenheit, die Vereinigten Staaten bei jeder sich bietenden Gelegenheit schlecht, ganz schlecht aussehen zu lassen.
Al-Dschasira gehörte zu den umstrittensten arabischen Nachrichtensendern des Nahen Ostens. 1996 gegründet, wuchs er von einem kleinen arabischen Lokalsender zu einem weitverzweigten internationalen Netzwerk heran, das 24 Stunden am Tag auf Englisch sendete. Er unterhielt mittlerweile weltweit 40 Büros mit Dutzenden Korrespondenten. Mitarbeiter wurden von allen großen westlichen Sendern abgeworben – von der BBC, dem CBS, CNN und CNBC. Bei Al-Dschasira konnte man sich darauf verlassen, dass von jeder Fahrlässigkeit oder Disziplinlosigkeit seitens der US-Streitkräfte im Nahen Osten berichtet wurde.
In der Nachrichtenredaktion ging es an diesem Tag hoch her. Bill Simons, ehemaliger BBC-Reporter, der, seiner linken Jugendträume überdrüssig, seine Sachen gepackt hatte und von Südlondon nach Doha an der Ostküste der Halbinsel Katar umgezogen war, wusste sofort, wenn er es mit einer guten Story zu tun hatte. Der dringliche Tonfall Abduls, der vom weit entfernten Abu Hallah am Euphrat anrief, brachte seine Reporterantennen zum Schwingen.
Wie viele sind tot? Zwölf, kaltblütig von einem amerikanischen Offizier erschossen? Mitten auf einer Euphratbrücke? Mein Gott!
Hat es irgendwie ein Gefecht gegeben? Was? Einige leicht beschädigte US-Panzer, nachdem sie das Feuer auf das Dorf eröffnet haben? Nichts Ernstes also, oder? Und dann dreht dieser Amerikaner durch? Wow! Und wo befinden sich jetzt die Leichen dieser zwölf Dorfbewohner? Ah, die haben Sie. Unbewaffnete Bauern, die auf ihre Felder wollten … Geben Sie mir Ihre Nummer, Abdul, und halten Sie sich bereit.
40 Minuten später war Al-Dschasira ganz in seinem Element. Zu den vertrauten Tönen, die klangen, als kämen sie direkt aus einer Moschee, wurden die 16-Uhr-Nachrichten angekündigt. Eine dunkeläugige Schönheit aus Riad begann mit der Moderation:
Berichten zufolge verübten US-Spezialkräfte auf einer Euphratbrücke in der Nähe der irakischen Wüstenstadt Hit eine schreckliche Gräueltat. Zwölf unbewaffnete Bauern wurden von einem amerikanischen Offizier anscheinend kaltblütig erschossen.
Die Namen der zwölf Toten konnten von unserem Korrespondenten bislang nicht in Erfahrung gebracht werden, allerdings wird erwartet, dass die irakische Polizei noch an diesem Abend weitere Einzelheiten dazu bekanntgeben wird. US-Militärsprecher wollten sich zu dem Vorfall bislang nicht äußern. Das Pentagon streitet jegliche Kenntnisse darüber ab und verwies unsere Reporter an die US-Militärbehörden in Bagdad. Mehr dazu im Laufe dieses Abends.
Al-Dschasira, das als Sprachrohr von Osama Bin Laden und El-Kaida galt, konnte von den westlichen Nachrichtensendern seit geraumer Zeit nicht mehr ignoriert werden. Bei jedem ungewöhnlichen Vorfall im Nahen Osten war die Wahrscheinlichkeit groß, dass zuerst Al-Dschasira davon berichtete. Und diese Story war, Junge, Junge, mehr als ungewöhnlich.
Alle Zeitungs- und Fernsehredaktionen in London, Washington und New York hatten ständig ein Auge auf den Sender aus Katar, der wie kein zweiter die Stimmung und die Befindlichkeiten der arabischen Welt wiedergab. Und wenn die Meldung über angebliche US-Grausamkeiten am Euphrat über die Bildschirme flimmerte, konnten es die liberalen Medien beider Länder kaum erwarten, über das Militär herzufallen, das ihre Freiheit verteidigte und für die Sicherheit des Staates sorgte.
Ein emsiger Journalist rief beim US-Militär im Irak an, wo ihm gesagt wurde: »Ja, wir haben Berichte über einen bewaffneten Zusammenstoß am Euphrat, und ja, ein SEAL-Commander der Navy unterstützt im Moment die internen Ermittlungen. Wir haben Berichte über Verluste auf US-Seite, über irakische Opfer liegt uns nichts vor.«
Mehrere Redakteure fügten das zu dem »Bericht« von Abdul hinzu, und dann ging es auf Sendung.
Massaker am Euphrat –
SEAL-Commander muss mit Militärgericht rechnen
Natürlich zeichnete sich der Bericht durch einen Mangel an Fakten aus: Was verursachte die Auseinandersetzung? Welche Seite eröffnete zuerst das Feuer? Kamen dabei Amerikaner ums
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