Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
Wir haben eine Triade ausspioniert, eine chinesische Untergrundorganisation.«
»Ich weiß, was eine Triade ist«, schnaubte Modo beleidigt und wünschte, er würde nicht so weinerlich klingen. »Wie ist er gestorben?«
»Es war kein Arsen, falls dich das beruhigt. Wie gesagt, er war alt. Eines Tages beim Frühstück hat sein Herz versagt und damit war unser Einsatz vorbei.«
»Das klingt schrecklich.«
»Na ja, genau genommen, habe ich es gar nicht mitbekommen, als er starb. Ich habe noch geschlafen. Hinter einem Paravent, so ähnlich wie der hier. Mah war überheblich, rechthaberisch und laut – außerdem hat er gesabbert. Aber abgesehen davon tat es mir leid, dass der alte Mah gegangen ist. Mr Socrates war ungeheuer wütend auf ihn, weil er es einfach gewagt hatte, während eines Einsatzes zu sterben. Das sollten wir uns also besser verkneifen.«
»Bitte sprich nicht mal im Scherz davon. Wann warst du verheiratet?«
»Ein paar Monate, bevor wir beide uns kennengelernt haben. So, genug der Fragen. Es ist Zeit, dass meine ›wandelnde Rührseligkeit‹ ein wenig schläft«, erklärte Octavia.
»Muss ich wirklich?«
»Du kannst doch kaum noch die Augen offen halten. Ich vertreibe mir so lange die Zeit mit einem Spaziergang an Deck. Und dann speise ich im Café Paris. Die jungen Lords und Gentlemen dort werden mich sicher mit Argusaugen beobachten.«
Bei der Vorstellung ballte Modo die Fäuste unter der Bettdecke. »Eine verheiratete Frau sollte nicht ohne Begleitung ausgehen!«
»Dz, dz!« Octavias Hand lag schon auf dem Türknauf. »Ich werde ihnen sagen, dass ich meinem kranken Mann etwas Tee hole. Schlafen Sie gut, Mylord.« Mit diesen Worten verschwand sie durch die Tür.
Modo schlief tatsächlich ein, aber er brauchte dazu länger als gewöhnlich.
In der Nacht erwachte er und lauschte auf Octavias leises Schnarchen. Es war so sonderbar, hier mit ihr in einem Raum zu sein. Er hatte so oft an Octavia gedacht, seit sie einander zum ersten Mal begegnet waren, und auch in den vergangenen Monaten, in denen sie sich nicht gesehen hatten. Er war durch die Straßen Londons gestreift, hatte sich stundenlang von Dach zu Dach geschwungen, in der Hoffnung, irgendwo einen Blick auf sie zu erhaschen. Und jetzt war sie ihm so nah. Wovon träumte sie wohl gerade? Vielleicht von ihm? Bei dem Gedanken musste er ein Lachen unterdrücken. Nein, sie durfte wahrlich von etwas Besserem träumen. Von Männern, deren Gesichter dauerhaft schön waren, zum Beispiel.
Am fünften Tag gelang es Modo, Nahrung bei sich zu behalten, und er fühlte sich nahezu genesen und endlich kräftig genug, sein Gesicht in das zu verwandeln, das Octavia kannte und das er »den Ritter« nannte. Während sie an Deck war, gelang ihm die Verwandlung. Anschließend rieb er sich mit duftenden Lotionen ein und zog sich seinen besten Cutaway und schwarze Hosen an.
Als Octavia zurückkehrte, saß Modo am Glastisch und legte Patiencen.
»Aha, du bist auf den Beinen und hast deine Maske abgelegt. Das ist ein denkwürdiger Tag!«
Sie setzte sich Modo gegenüber und starrte ihn so lange an, dass ihm vor lauter Nervosität Schweißperlen auf die Stirn traten. »Warum schaust du mich so an?«
»Irgendwie wirkst du verändert.«
»Inwiefern?«
»Ich kann es nicht genau sagen. Vielleicht siehst du einfach älter aus. Du könntest jetzt für sechzehn durchgehen.«
»Sechzehn?«, schnaubte er. »Ich bin zwanzig!«
»Das ist gelogen, Modo. Eines Tages bekomme ich dein wirkliches Alter heraus. Aber, was meinst du, sollten wir jetzt nicht einen kleinen Spaziergang machen und uns um ein Morgenmahl kümmern?« Die letzten Worte sagte sie mit einer Fistelstimme. Modo wusste nicht genau, wen sie damit nachahmte, aber er lächelte.
Er stand auf und wäre beinahe umgekippt. »Oh, du bist noch etwas wackelig auf den Beinen«, stellte Octavia fest. »Ich helfe dir.«
Modo stützte sich auf ihre Schulter, als sie ihn aus der Kabine führte. Flüchtig bemerkte er, dass er nach Schweiß roch. Rümpfte sie die Nase? Wäre er nicht so erschöpft gewesen, hätte er es genossen, ihr so nahe zu sein. Sie traten an die Luft hinaus. Es ging ein frischer, kalter Wind. Modo betrachtete den Horizont. Noch nie hatte er den Blick so weit schweifen lassen können. Er genoss seinen ersten Panoramablick über den Atlantik!
»Kein Wunder, dass die Seeleute früher glaubten, am Ende der Erde gäbe es Wasserfälle«, sagte er.
»Ja, der Anblick ist schon etwas Besonderes, nicht
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