Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
Küste. Rettungskräfte könnten noch heute Abend an der Unglücksstelle sein.«
Octavia seufzte und wischte sich über die Augen. Man hatte ihr beigebracht, auf Kommando zu weinen, wenn es die Situation erforderte. Aber das waren echte Tränen. Allerdings würden Tränen nichts bewirken. »Das ist alles, was wir tun können, ja?«
»Ja, Mrs Warkin. Es tut mir leid. Es war klug, dass sie Ihrem Mann das Holzfass zugeworfen haben. Hoffen wir, dass er mittlerweile draufgeklettert ist. Wenn es ihm gelingt, seinen Körper weitgehend außer Wasser zu halten, überlebt er sehr viel länger. Er schien in guter körperlicher Verfassung zu sein. Seine Überlebenschancen sind sehr viel besser als die der meisten.« Der Kapitän hielt inne. »Benötigen Sie etwas? Ich kann Ihnen von einem meiner Männer Tee bringen lassen.«
»Tee? Nein, ich brauche nichts.«
»Dann entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss mich um das Schiff kümmern. Ich würde vorschlagen, dass Sie in Ihre Kabine zurückkehren. Es wäre nicht gut, wenn Sie eine Erkältung bekommen.«
»Danke, Kapitän.« Octavia blickte ein letztes Mal über das Meer. Keine Spur von Modo. Es war, als ob überhaupt nichts geschehen wäre. Sie sandte ihm warme Gedanken über das Wasser, wünschte ihm aus tiefstem Herzen Glück. Sei stark, Modo. Wir tun alles, um dich zu retten.
Dann erinnerte sie sich an den drahtlosen Telegrafen, den Mr Socrates ihnen mitgegeben hatte. Vielleicht würde es ihr gelingen, ihm eine Nachricht zu schicken – vielleicht könnte er umgehend die isländischen Behörden alarmieren. Sie rannte zurück in die Kabine und durchsuchte fieberhaft die Koffer und Schubladen. Aber sie fand das Gerät nicht. Wahrscheinlich hatte Modo es in der Tasche. Octavia brach auf der Pritsche zusammen und trommelte mit den Fäusten auf das Kopfkissen, bis die Federn flogen.
12
Wenn Hände zu Klauen werden
A ls Modo in den Fluten verschwand, besaß er die Geistesgegenwart, noch einmal tief Luft zu holen. Das Wasser spritzte hoch auf und er sank wie eine Kanonenkugel tiefer und tiefer in den eiskalten Atlantik, bevor er sich mit kräftigen Beinschlägen beharrlich wieder nach oben kämpfte. Als er endlich mit dem Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, saugte er die Luft ein und hielt sich durch Wassertreten auf der Stelle. Das Salz brannte in seinen Augen und er musste eine Weile blinzeln, bis er wieder klar sehen konnte. Eine Welle trug ihn in die Höhe und da erkannte er, dass die Hugo bereits Hunderte von Metern entfernt war. Er konnte Octavia ausmachen und die kleinere Gestalt des Kapitäns neben ihr. Beide schrien und fuchtelten wild mit den Armen. Schon glitt er mit der Welle wieder nach unten und es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er erneut so hoch getragen wurde, dass er einen Blick auf die Hugo erhaschen konnte. Octavia war so weit weg, dass sich Modo nicht vorstellen konnte, dass sie ihn noch sah.
Minuten später hörte er zwar noch immer die Rufe und das Dröhnen des Motors, doch das Schiff sah er nicht mehr – nur noch eine Rauchsäule am Horizont.
»Verlasst mich nicht! Lasst mich nicht im Stich!«, schrie er und schluckte einen Mundvoll Salzwasser. Ein heftiger Hustenanfall schüttelte ihn und er musste kämpfen, um sein Kinn über Wasser zu halten. Als er sich wieder beruhigt hatte, legte sich Stille über das Meer. Großer Gott, jetzt war er allein. Selbst die Rauchsäule war verschwunden.
Hinter seiner rechten Schulter vernahm Modo ein Platschen. Haie? Würden sie nach seinen Beinen schnappen? Oh nein! Oh nein! Er paddelte heftig und schwamm, bis seine Glieder schmerzten und die Lunge brannte.
Bewahr einen klaren Kopf! Tharpa hatte ihm das im Laufe der Jahre tausendmal eingetrichtert. Modo hielt inne, um sich zu sammeln. Er bewegte sich mit Beinschlägen im Kreis und suchte systematisch die Wasseroberfläche ab: Es waren keine Rückenflossen zu sehen. Folglich gab es wohl auch keine Haie. Octavias Stimme hallte in seinem Kopf: »Aufgepasst, Scotland Yard!« Und einen Augenblick lang musste er doch tatsächlich lächeln.
Mit einem Mal wurde ihm das Gewicht seiner vollgesogenen Kleidung bewusst und er befreite sich aus der Jacke und schleuderte die Schuhe von den Füßen. Denk nach, Modo! Was nun? Das Schiff würde nicht zurückkehren und so oder so wäre er nur sehr schwer zu entdecken.
Eine Rettung war nur möglich, wenn es Octavia und dem Kapitän gelänge, innerhalb der nächsten Stunde ein anderes Schiff zu schicken. Und dann
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