Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
ersten Fahrt über den Atlantik. Bald begann sein Gesicht zu brennen und zu schmerzen. Er war gezwungen, die Maske wieder aufzusetzen. Außerdem holte er einen dicken Umhang aus seinem Reisekoffer und warf ihn sich über, damit der Buckel und die übrigen verwachsenen Körperteile vor Octavias Augen verborgen blieben. Ach, wie er es hasste, wenn sein Rücken sich so verkrümmte! Die Kabine war dermaßen eng, dass Octavia sicher irgendwann das gesamte Ausmaß seiner Hässlichkeit ausmachen würde. Immer wenn ihre Blicke über ihn hinweghuschten, hätte er sich am liebsten wie eine Ratte in einem Loch verkrochen.
Während sich die Hugo durch die Wellen vorankämpfte, machte sich Modo daran, in einer Ecke der Kammer ein Laken zu spannen, hinter dem sie sich bei Bedarf umziehen konnten.
Je weiter sie nach Norden fuhren, desto kürzer wurden die Tagesstunden. Modo verbrachte die meiste Zeit in ihrer armseligen Kabine. Gelegentlich verwandelte er sich in Mr Warkin, um einen Spaziergang an Deck zu machen, und schob dann ein Unwohlsein vor, um sich wieder zurückzuziehen. Die Mahlzeiten wurden ihnen zur Kabine gebracht, aber sie waren nie heiß, nie schmackhaft und schienen meist aus irgendeinem nicht identifizierbaren verkochten Fleisch zu bestehen.
»Das muss Büffel sein«, vermutete Octavia nach mehreren Mahlzeiten. »Ich habe gehört, es soll recht zäh sein.«
Ab und an lud der Kapitän sie zum »Dinieren« in seine Kabine ein, wobei die Tafel nichts weiter als ein Holzbrett war. Die Metallteller waren festgeschraubt und sahen so aus, als wären sie vor zehn Jahren das letzte Mal gesäubert worden.
»Ich hatte einen Korb mit herrlichen Äpfeln«, berichtete der Kapitän, nachdem sie das gepökelte Schweinefleisch verzehrt hatten. »Aber sie sind in irgendeinem Schlund verschwunden. Die Peitsche wird die Wahrheit schon ans Tageslicht bringen. Also, trinken Sie stattdessen viel Limonade, das hält den Skorbut fern.« Er lächelte säuerlich.
Am nächsten Tag versuchte Modo, sich ein Leben auf See auszumalen und entschied, dass es nichts für ihn wäre. Nirgends ein Ort, auf den man bei Gefahr klettern konnte. Obwohl – das stimmte nicht ganz: Es gab immerhin das Krähennest. Ohne eine Sekunde nachzudenken, kletterte er hinauf zu dem kahlköpfigen Seemann, der dort als Ausguckposten in die unendliche Weite blickte.
»Für einen eleganten Herrn klettern Sie gut«, bemerkte der Mann.
»Danke«, erwiderte Modo. »Ich wollte mir einmal einen Eindruck von dieser Wasserwelt verschaffen.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an. Genießen Sie den Ausblick. Hier gibt’s alles und nichts zu sehen.«
Modo spürte hier oben das Rollen des Schiffes viel stärker, aber es machte seinem Magen nichts aus. Er genoss das herrliche, vertraute Gefühl, sich hoch über allem zu befinden. Und der Blick konnte sehr viel weiter schweifen als von den Londoner Dächern aus. Das Meer schien grenzenlos. Gerade ging die Sonne unter, obwohl es erst sechs Uhr abends war.
Er beobachtete zwei Männer, die sich unten mit dem täglichen Deckschrubben abmühten. Dann zählte er die Rettungsboote. Sechs. Insgesamt boten sie vielleicht Platz für dreißig Menschen. Auf der Hugo waren allerdings mindestens hundert Mann.
»Es gibt nur sechs Rettungsboote«, sagte Modo laut. »Was, wenn wir sinken?«
»Na ja, Herr …« – das breite Grinsen des Mannes gab den Blick auf eine Zahnlücke frei – »auf einem zivilisierten Schiff würde es dann heißen: ›Frauen und Kinder zuerst.‹ Aber ich würd’ mich nich’ verbürgen, dass das hier ein zivilisiertes Schiff ist, wenn wir sinken. Am besten machen Sie Ihren Frieden mit Jesus, der Welt und dem lieben Gott.« Er gluckste.
Mit einem Mal war Modo gar nicht mehr so wohl im Magen. Das Schiff hatte schon viele Fahrten überstanden, ohne zu sinken, beruhigte er sich selbst. Alles wird gut gehen. Kein Grund zur Sorge.
Am Morgen des siebten Tages der Reise ging ein heftiges Zittern durch die Hugo, die Maschinen wurden gedrosselt und dann ertönte das ohrenbetäubende Rasseln von Ketten, als man den Anker fallen ließ. Jemand hämmerte an die Kabinentür der beiden Passagiere. »Wir sind da, Mr und Mrs Warkin!« Sie erkannten die Stimme des Kapitäns.
»Wir kommen gleich!«, rief Modo. Er trug noch seinen Pyjama, die Maske und eine Nachtmütze.
»Du bist ein ziemlich komischer Anblick«, neckte ihn Octavia. »Jetzt schau weg.«
Modo gehorchte, während Octavia sich von der Pritsche erhob und
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