Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
kein Englisch sprach. Aber sie konnte kein Wort Isländisch! In ihrer Verzweiflung schrie sie quer über die Hafenanlagen: »Bitte! Bitte kann mir jemand sagen, wo die Hafenverwaltung ist?« Ein dürrer Mann in einem dicken grauen Pullover deutete in Richtung Stadt und sagte: »Rotes Haus. Dort.«
Octavia hastete an ihm vorbei, rannte im Slalom um Fischer, die ihren Fang ausluden, herum und stürzte ohne anzuklopfen in das zweistöckige Gebäude, auf das der Isländer gezeigt hatte. Hinter einem Schreibtisch saß ein großer Mann in einem dunkelblauen Pullover und mit einer winzigen Brille. Er blickte auf und sagte etwas auf Isländisch.
»Sprechen Sie Englisch?«, fragte Octavia.
»Ja.«
»Ein Glück!« Sie erzählte rasch ihre Geschichte und nannte dem Mann zum Schluss die Koordinaten der Stelle, an der Modo über Bord gegangen war.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Sie werden niemanden finden, der bereit ist, Ihren Ehemann zu retten«, erklärte er. »Wir nennen das Gebiet den Kreis von Niflhel. Seit einem Jahr schon hat sich kein isländisches Schiff mehr dorthin vorgewagt.«
»Haben Sie denn keine Militärschiffe? Oder vielleicht ein Dampfschiff?«
Der Mann machte erneut eine verneinende Kopfbewegung. »Wir können Ihnen nicht helfen.«
»Dann finde ich jemand anderen. Es muss doch wenigstens einen mutigen Fischer in diesem gottverlassenen Ort geben!«
Octavia stürmte zurück auf die Straße, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Sie hatte noch fünzehnhundert Dollar. Also suchte sie das Postamt auf und sandte Mr Socrates ein Telegramm. Anschließend kehrte sie zurück zum Hafen und klapperte die Fischerboote ab. Sie flehte die Männer an, mit ihr auf die Suche nach Modo zu gehen. Die wenigen, die Englisch sprachen, schüttelten traurig den Kopf oder zuckten resigniert mit den Schultern.
Innerhalb der nächsten Stunde ging die Sonne unter und kurz nach vier Uhr nachmittags war bereits die lange isländische Nacht angebrochen. Octavia ließ sich am Ende eines Kais auf den Boden sinken. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass niemand sich mit ihr auf die tückische nächtliche See hinauswagen würde und dass Modo bald erfrieren würde – falls er nicht schon tot war.
Sie brach in Schluchzen aus.
15
Die Kapitänin
M odo starrte Colette Brunet an. Seine Gedanken rasten. Was machte sie hier? Sie war eine französische Agentin. Handelte es sich um ein französisches Unterseeboot? Die junge Frau starrte herausfordernd zurück. Modo hatte sie sich kleiner vorgestellt. Sie war mindestens so groß wie Octavia.
Die Hand der älteren Frau ruhte weiterhin auf dem Griff ihres Entermessers. Sollte sie die Waffe ziehen, wäre Flucht das Klügste, was Modo tun könnte. Aber wohin?
»Ich bin Kapitänin Delfina Monturiol«, stellte die Frau sich vor. Sie sprach mit leichtem, fremdartigem Akzent. »Wie ist Ihr Name?«
»Robert Warkin. Ich bin Fotograf.«
»Nun, Mr Warkin. Sie haben mein Schiff beschädigt.«
Modo blickte sie einen Moment lang perplex an. »Ach, Sie meinen die Einstiegsluke? Das tut mir leid. I-ich war verzweifelt und wäre fast erfroren.«
»Mit viel Mühe ist es uns gelungen, die Luke zu reparieren.« Ihre Hand ruhte unverändert auf dem Entermesser. »Ich vermute, Sie waren Passagier auf der Hugo. Ihr Schiff ist widerrechtlich in diese Gewässer eingedrungen.«
»Widerrechtlich eingedrungen? Aber wir befinden uns hier in internationalen Gewässern. Wir sind mit etwas kollidiert und ich wurde von Bord geschleudert.«
»Sie wurden von Icarias Lanze getroffen«, erklärte die Kapitänin. »Wäre das Schiff noch länger in meinen Gewässern verblieben, würde es jetzt auf dem Meeresgrund ruhen.«
»In der Tat«, ergriff Colette in fehlerfreiem Englisch das Wort. »Unsere werte Kapitänin schreckt nicht davor zurück, zu töten.« Modo warf der französischen Agentin einen Blick zu. Ihr Tonfall und der Umstand, dass sie ohne wahrnehmbaren Akzent sprach, verblüfften ihn.
Kapitänin Monturiol entfuhr ein Seufzer. »Verzeihen Sie, ich hätte Sie einander vorstellen müssen. Das ist Colette Brunet und auf ihre gewohnt dramatische Art spricht sie die Wahrheit. Ich nehme die Verteidigung meines Staates sehr ernst.«
»Ihres Staates?«, hakte Modo nach. »Sind Sie aus Island?«
»Nein. Nicht alle Staaten liegen an Land. Die Welt wird begreifen, dass diese Gegend zu umschiffen ist. Meine Heimat Icaria muss um jeden Preis verteidigt werden.«
»Die Matrosen auf meinem Schiff
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