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Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt

Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt

Titel: Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Slade
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Agenten außerhalb von Einsätzen keinen Kontakt miteinander haben durften, war wirklich lästig. Wenn sie das nächste Mal miteinander arbeiteten, würde sie einen Plan austüfteln, damit sie sich anschließend hinter dem Rücken ihres Dienstherrn treffen konnten.
    Octavia schnaufte frustriert und fuhr fort, die Menge zu beobachten. Die Garderobe der anderen Damen machte auf sie keinen Eindruck – alle waren schwarz wie Krähen gekleidet. Sie selbst trug ein Kleid aus schwarzem Seidenkrepp mit einem schlichten Kragen, und ihr Haar war unter einer Witwenhaube verborgen. Allerdings zierte die Haube ein purpurfarbenes Hutband, wodurch sie aus der Menge herausstach. Sollte sie jemand darauf ansprechen, würde sie sagen, Purpurrot sei Onkel Livingstones Lieblingsfarbe gewesen, und schluchzend in Richtung Sarg blicken. Die ganze Zeit über heuchelte Octavia Trauer. Irgendwann ging die Beerdigung zu Ende, und ein Gentleman warf als letzte Ehrenbezeugung einen Palmzweig in die Gruft. Livingstones Lebenswerk war so beachtlich, dass er direkt in der Abbey, an der Seite von Königen und Königinnen, bestattet wurde. Octavia bekam mit, wie ein korpulenter Herr in der Bank vor ihr flüsterte: »Für einen Schotten war er ein recht anständiger Brite.«
    Die Trauergäste schoben sich langsam aus der Kirche. Wahrscheinlich würden sie jetzt zu einer Teegesellschaft gehen oder sich ein Kricketspiel ansehen, vermutete Octavia. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen: Tee und ein Sandwich wären genau das Richtige, aber sie hatte noch zu arbeiten. Ihr Magen musste sich gedulden.
    Sie fand eine dunkle Ecke neben einem Pfeiler und gab vor, in Stille des Toten zu gedenken. Erneut ging sie in Gedanken ihren Einsatzbefehl durch – nicht, dass der sonderlich aufschlussreich gewesen wäre. In dem Brief hatte lediglich gestanden, dass sie der Trauerfeier beiwohnen und ein purpurfarbenes Hutband tragen sollte. Ein Agent würde an sie herantreten und ihr Informationen liefern, wofür sie ihm im Gegenzug das Geld aushändigen sollte, das dem Brief beilag. Es war also nur ein weiterer Botengang für Mr Socrates.
    Octavia konnte nicht umhin, andächtig die Schönheit der Abtei zu bewundern: die bunten Bleiglasfenster und die emporstrebenden Pfeiler, die den Himmel zu tragen schienen. Könige und Königinnen waren hier gekrönt worden, selbst der fette alte Heinrich VIII.
    Von einer Empore drang ein klickendes Geräusch zu Octavia hinunter, und sie hob den Blick. Niemand. Wahrscheinlich schloss nur einer der Priester den Wein weg. Sie schlenderte durch das Kirchenschiff, als ihr Blick von einer Marmorstatue angezogen wurde. Sie zeigte einen Mann, der auf einer Liege ruhte, den Ellbogen auf einen Stapel Bücher gestützt. Über ihm prangte eine marmorne Weltkugel. Laut Mr Socrates sah die Erde so aus. Octavia hatte da ihre Zweifel. Falls die Erde tatsächlich eine Kugel und keine Scheibe war, wie kam es dann, dass niemand von ihr herunterfiel? Sie entzifferte so gut sie konnte, die Inschrift. Gütiger Himmel! Hier lag Isaac Newton begraben. Eine erstaunliche letzte Ruhestätte für einen Mann, der berühmt geworden war, weil ihm ein Apfel auf den Kopf fiel.
    Noch immer gingen mehrere Herren in Roben ihren Pflichten nach, und einige wenige Trauergäste oder Besucher wandelten durch die Kirche, doch keiner von ihnen befand sich an Dr. Livingstones Grabstätte. Warum ihm nicht die letzte Ehre erweisen?, dachte Octavia. Sie trat näher heran und las die Worte auf der Marmortafel:
     
    … Dreißig Jahre seines Lebens ruhte er nicht,
    die eingeborenen Völker zu evangelisieren,
    die unentdeckten Geheimnisse zu erforschen …
     
    Sie hielt inne. Manche der Worte waren kompliziert, und sie musste überlegen, was sie bedeuteten. Octavia hatte erst lesen gelernt, als sie begann, für Mr Socrates zu arbeiten. Sie hatten sich kennengelernt, weil Octavia versucht hatte, ihm die Geldbörse zu stehlen. Anstatt sie den Gesetzeshütern zu übergeben, bot ihr Mr Socrates an, sie als Spionin in seine Dienste zu nehmen. Was »evangelisieren« bedeutete, wusste Octavia. Die Leiterin des Waisenhauses, in dem sie aufgewachsen war, hatte das mit Nachdruck betrieben. Dieser Livingstone war also auch eine Art Priester gewesen. Oder zumindest hatte er sich darfür gehalten. Was wohl all die afrikanischen Stämme über diese englischen Entdecker dachten? Warum kochten die Wilden sie nicht einfach allesamt und verspeisten sie zum Abendessen? Vielleicht war englisches

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