Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt
hatte nie mehr als liebevolles Mitleid aufbringen können, wenn sie seine entstellten Züge betrachtete.
»Dann muss es ja sehenswert sein«, sagte Octavia.
»Es ist das, was die Evolution für mich vorgesehen hat.« Modo deutete auf seine Maske. »Dieses Gesicht.«
»Wenn du an so etwas glaubst.«
»Wissenschaft hat nichts mit glauben zu tun. Es ist Wissenschaft. Wahrheit.«
»Die Wahrheit ist, was wir glauben.«
Worauf wollte sie eigentlich hinaus? Unter den gegebenen Umständen stand ihm nicht der Sinn danach, den Unterschied zwischen Wissenschaft und Glauben zu diskutieren. Nicht in dieser Nacht. Er räusperte sich. »Es ist noch nicht lange her, da habe ich angeboten, dir mein Gesicht zu zeigen. Du hast abgelehnt.«
»Ich war eifersüchtig. Du hast es dieser französischen Kokotte gezeigt. Und du hast die Agentin geküsst.«
»Ich habe es nicht darauf angelegt.«
»Worauf? Ihr dein Gesicht zu zeigen oder sie zu küssen?«
»Sie zu küssen.«
»Nichtsdestotrotz war das ein … ein ziemlicher Verrat.«
»Ihr mein Gesicht zu zeigen?« Modo kratzte sich am Kopf. Er war ernstlich verwirrt von diesem Gespräch.
»Nein, sie zu küssen. Die Queen wäre nicht stolz auf dich. Eher entrüstet, würde ich meinen. Das ist ein Verbrechen, darauf steht der Galgen.«
»Ich verstehe nicht, was du sagen willst, Tavia.«
»Es ist so, Modo«, ihre Stimme wurde brüchig, »ich würde gern dein Gesicht sehen. Ich habe geschworen, dass ich dich nie mehr darum bitten würde. Aber jetzt stehe ich hier und tue es doch.«
Sollte er es ihr zeigen? Es kam ihm so vor, als wären hundert Jahre vergangen, seit Octavia ihn nach ihrem ersten gemeinsamen Einsatz gebeten hatte, ihr sein wahres Gesicht zu zeigen. Tatsächlich war das aber erst neun Monate her. Damals war er so viel jünger gewesen, dachte Modo.
Octavia beobachtete ihn. Sie lächelte, beinahe so, als wäre das alles nur Spaß. Aber er kannte sie mittlerweile gut genug. Die Scherze, der Sarkasmus waren ihr Schutzschild gegen die Welt.
»Das ist keine große Sache«, murmelte Modo. Dann löste er seine Maske und nahm sie ab, dankbar, dass in der Dunkelheit seine entstellten Züge nicht so schonungslos hervortreten würden. Feigling, dachte er und trat langsam ins Mondlicht. Er schloss die Augen, um ihre Reaktion nicht sehen zu müssen.
Modo wusste genau, was sie sah – das vorspringende Kinn, die platte, verwachsene Nase, die roten Haarbüschel, die eher an Moos erinnerten. Er konnte jeden Makel benennen: dass sein eines Auge größer war als das andere, dass ein bestimmtes Muttermal den Blick auf seine verzogenen Lippen lenkte und auf seine krummen Zähne.
»Modo«, sagte Octavia leise, und er öffnete wieder die Augen.
Ein versteinertes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Modo fürchtete, dass es jeden Augenblick erlöschen würde. Ihre Lippen wurden zu einer schmalen Linie, aber sie verzog weder das Gesicht noch wandte sie den Blick ab.
»Es ist nicht so schlimm, Modo«, wisperte sie. Sie holte Luft, als wollte sie ins tiefe Wasser springen. »Das ist nicht das schlimmste Gesicht, das ich in meinem Leben gesehen habe.«
»Du hast schrecklichere gesehen?«
»Ehrlich gesagt«, sie gluckste kurz, »vielleicht … nein. Ich habe Gesichter gesehen, die voller Bosheit waren. Und deine Augen strahlen ohne die Maske.«
Was sollte das nun bedeuten?
»Willst du, dass ich es bedecke?«, fragte er. Hatte sein Tonfall etwas Flehendes? Schon wollte er die Maske wieder aufsetzen.
»Nein. Ich … ich habe das Gefühl, dich zum ersten Mal zu treffen.« Sie streckte die Hand aus, und er zuckte zusammen. Ihre Finger glitten dicht an seiner Wange vorbei, doch dann legte sie die Hand auf seine Schulter. »Es gibt Schlimmeres im Leben, Modo.«
»Ich brauche kein Mitleid. Und auch keinen Trost.«
»Ja, ich verstehe. Ich verstehe.«
Unvermittelt erfasste er eine Bewegung hinter Octavias Schulter. Lizzie stand wie angewurzelt ein paar Schritte entfernt und starrte in sein Gesicht. Die harte, zähe Lizzie wirkte aufrichtig erschüttert. Sie trat in den Schatten zurück.
Modo band rasch die Maske wieder fest. »Das ist kein Gesicht, das für die Augen anderer bestimmt ist. Kannst du Lizzie bitte ausrichten, dass sie mich ablösen soll, wenn du ins Lager zurückgehst.«
»Ja, Modo.« Octavia ging einige Schritte, dann blieb sie stehen und drehte sich um. »Danke«, sagte sie.
Und sie verschwand zwischen den Bäumen.
M iss Hakkandottir stand neben den brennenden
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