Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt
Fackeln am Eingang zum Tempel. Sie öffnete und schloss ihre metallische Faust und studierte dabei aufmerksam die Finger. Sie bewegten sich eindeutig langsamer. Der kleine Finger verhakte sich manchmal sogar, und sie musste ihn mit der anderen Hand lösen. Schuld war die Feuchtigkeit in diesem grässlichen Regenwald! Sie hätte Dr. Hyde mitnehmen sollen, schließlich hatte er die Hand entworfen. Zum ersten Mal seit Jahren bereitete sie ihr Probleme. Gut, Visser mit seinen kleinen Schlüsseln kannte sich auch mit Federwerken aus und würde sie vorübergehend reparieren können.
Hakkandottir starrte in den dunklen Tempel. Mit jeder Stunde, die verstrich, ohne dass sie das Gottesgesicht gefunden hatten, wuchs ihr Missmut. Der Gildemeister erwartete sie bereits seit Wochen mit der Trophäe auf Atticus zurück. Jedes Mal, wenn die Prometheus mit Nachschub vom Schiff zurückkehrte, erhielt sie neue Telegramme mit der Frage, welche Fortschritte sie mache. Fortschritte! Fortschritte! Das war unmöglich in dieser rückständigen, wuchernden Hölle.
Drei Soldaten hatte sie in den letzten drei Tagen in den Tempel geschickt. Einer war nach der Rückkehr, so hoch er konnte, die Felswand hinaufgeklettert und hatte sich schreiend in den Tod gestürzt. Der zweite war in den Wald geflohen, und sie hatten Stunden später seine Leiche mit einem Speer im Rücken gefunden. Der dritte lag im Sanitätszelt, auf eine Pritsche geschnallt, und sang Wiegenlieder. Wiegenlieder! Es war sinnlos, einen weiteren Soldaten hineinzuschicken. Den Männern fehlte die mentale Stärke. Die Tinktur, die sie erhielten, um sie gefügig zu machen, hatte offensichtlich zu viele negative Auswirkungen auf ihr Gehirn.
Und wo steckte Mr Socrates? War er unterwegs zum Hafen? Jetzt, da sie darüber nachdachte, hielt sie es für völlig unvorstellbar, dass er aufgegeben hatte. Aber sie hatte das feindliche Luftschiff während des Kampfs mit Modo aus den Augen verloren. Socrates konnte unmöglich mit diesem jämmerlichen Gefährt einen Hafen erreicht haben. Er musste irgendwo gelandet sein, doch der Regenwald hütete seine Geheimnisse allzu gut.
Miss Hakkandottir starrte durch das rechteckige Portal in den dunklen Gang, der ins Innere des Bergs führte. Der Tempel verhöhnte sie, und das schon seit Tagen. Irgendwo dort drinnen, hinter welchen heimtückischen Fallen der Ägypter auch immer, wartete das Gottesgesicht. Es kam ihr so vor, als würde ein leises summendes Pochen aus dem dunklen Gang dringen, ein Zeichen dafür, dass sich irgendeine unbekannte Macht in dem Grabmal verbarg. Oder bildete sie sich das nur ein? Verlor etwa auch sie den Verstand?
Unwahrscheinlich. Sie war nicht so schwach.
»Visser«, brüllte sie. »Visser!«
Schon einen Augenblick später sprang er die Steinstufen herauf. Der Mann schlief nie. Er war so ein mickriger Kerl, und mit seinen spinnenhaften Fingern trommelte er ständig nervös auf seinen Oberschenkeln. Die Augen und vogelähnlichen Bewegungen erinnerten sie an die Falken, die er herumtrug. An seinem Gürtel baumelten zahllose Schlüssel.
»Ja, Miss Hakkandottir«, sagte er.
»Bitte, sorge dafür, dass meine Hand wieder richtig funktioniert. Morgen früh treffen wir die notwendigen Vorbereitungen. Ich gehe selbst in den Tempel.«
Visser schwieg kurz und fragte dann: »Wie lauten Ihre Befehle, falls Sie nicht zurückkehren oder nicht mehr zurechnungsfähig sind?«
»Du wirst keine Befehle benötigen«, erwiderte Hakkandottir, »denn du und deine entzückenden Falken begleiten mich.« Mit Genugtuung stellte sie fest, dass Visser leicht erschauderte. Der kaltblütige Auftragsmörder war also nicht ganz so furchtlos. »Wir kehren bei vollem Verstand zurück«, versicherte sie ihm und hielt ihre Hand hoch. »Und jetzt repariere meine Finger.«
O ctavia kehrte zu ihrer Schlafstätte zurück – eine Büffeldecke unter der Plane neben Lizzie. Zitternd setzte sie sich. Sie hatte all ihre Willenskraft aufbieten müssen, um sich nicht von Modos Gesicht abzuwenden, nicht bestürzt oder angewidert aufzuschreien und – das war das Wichtigste gewesen –, um sich nicht die Augen zuzuhalten. In den vergangenen Monaten hatte sie sich zigmal überlegt, wie Modo wohl aussah, aber auf das, was er ihr jetzt gezeigt hatte, war sie nicht gefasst gewesen. Ein Gesicht jenseits ihrer Vorstellungskraft.
Wäre da nicht ihre Freundschaft, hätte sie die Situation nicht meistern können. Der Ausdruck in seinen Augen – nicht flehend,
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